Analyse des Einflusses der tribologischen Eigenschaften auf die Tiefziehbarkeit metallischer Blechwerkstoffe nach dem Durchlauf einer Ziehsicke
Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Marion Merklein, M. Sc. Harald Schmid, Lehrstuhl für Fertigungstechnologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
92 Seiten - 70,00 EUR (sw, 32 teils farbige Abb., 1 Tab.)
ISBN 978-3-86776-630-2
Zusammenfassung
Eine Verkürzung der Entwicklungszyklen stellt vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) vor erhebliche Herausforderungen. Zur ziel- und termingerechten Auslegung in der Blechumformung ist deswegen die virtuelle Prozessauslegung besonders geeignet und mittlerweile Stand der Technik.
Dabei kann eine unzureichende Vorhersagegenauigkeit zu Auslegungsfehlern und fehlerhafter Projektierung von Werkzeugen oder Anlagen und einer damit ungenügenden Formgenauigkeit der finalen Bauteile führen.
Neben der Modellierung der mechanischen Eigenschaften kommt in zunehmendem Maße die Abbildung der Tribologie in den Fokus der numerischen Modellierung. Im Rahmen des Projekts „Tribologie Ziehsickendurchlauf" war deshalb das primäre Ziel, eine Analyse und Bewertung der Auswirkungen eines Ziehsickendurchlaufs auf die tribologischen Bedingungen im Tiefziehprozess vorzunehmen.
Das verbesserte Prozessverständnis beim Einsatz einer Ziehsicke in der industriellen Anwendung und ihrer tribologischen Wirkungsweise stand dabei im Fokus der simulativen und experimentellen Untersuchungen. Weiterhin war ein Aspekt, die Prognosegüte von Simulationen im Hinblick auf das Reibungsverhalten zu steigern.
Außerdem sollte der Zusammenhang zwischen Tribologie und Kaltverfestigung im Ziehsickendurchlauf analysiert werden. Weiterhin konnten anhand eines Demonstratorbauteils die im Modellversuch erarbeiteten Erkenntnisse validiert werden.
In Arbeitspaket (AP) 1 wurden die zu verwendenden Versuchswerkstoffe, Werkzeuge und Zielgrößen festgelegt. Als Modellversuch wurde der „Streifenzug mit Ziehsicke" genutzt, welcher bereits aus dem Vorgängerprojekt EFB-Forschungsbericht Nr. 510 bekannt ist.
Als Zielgrößen sind unter anderem die spezifische Rückhaltekraft und die Blechdicke definiert. Als Versuchsparameter wurden beispielsweise die Ziehsickenhöhe, Distanzierung, Niederhalterkraft, Ziehsickenform, Schmierstoffmenge bzw. Schmierstoffart und die Abzugsgeschwindigkeit festgelegt.
Weiterhin wurde nach Vorversuchen die konfokale Mikroskopie zur Analyse der Oberflächenkennwerte ausgewählt. Im AP 2 wurde der Einfluss der Ziehsicke auf die Oberflächentopografie untersucht.
Dabei zeigte sich eine werkstoff- und parameterabhängige Veränderung, die blechseitige Unterschiede erkennen lässt. Die Differenzen konnten im Gegensatz zur Rückhaltekraft nicht geometrisch korreliert werden, was auf den Einfluss der sequenziellen Beanspruchungen an der Oberfläche hinweist.
Für die Stahlwerkstoffe war im Allgemeinen eine signifikante Einglättung erkennbar, während bei Aluminium an einer Blechseite eine Aufrauhung auszumachen war. In AP 3 konnte durch individuell auf die Werkstoffe angepasste Methoden in der Reibzahlanalyse der Anstieg der Reibzahl nach dem Ziehsickendurchlauf übergreifend nachgewiesen werden.
Die experimentell ermittelten Reibzahlen wurden anschließend in eine Ersatzmodellierung in die simulativen Modelle überführt. Die Prognosegüte für den Modellversuch konnte damit erheblich im Vergleich zu bestehenden Reibzahlmodellierungen erheblich gesteigert werden. Mithilfe simulativer Ergebnisse konnten die Erkenntnisse diskutiert und bewertet werden.
Eine Validierung im Tiefziehprozess mit Ziehsicken wurde in AP 4 vorgenommen, dabei konnten die Erkenntnisse aus dem Modellversuch übertragen und validiert werden. Zum Abschluss konnte der Unterschied zwischen linearen und konvexen Ziehsickengeometrien analysiert werden.
Zusammenfassend konnte eine signifikante Veränderung der tribologischen Eigenschaften nach dem Ziehsickendurchlauf im Modell- und Tiefziehversuch nachgewiesen werden. Durch Anwendung der empfohlenen und beschriebenen Ersatzmodellierung kann die Prognosegüte im Auslegungsprozess erheblich gesteigert werden.
Förderhinweis
Das IGF-Vorhaben „Analyse des Einflusses der tribologischen Eigenschaften auf die Tiefziehbarkeit metallischer Blechwerkstoffe nach dem Durchlauf einer Ziehsicke" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 20015N über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 572 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.
Summary
The reduction of available time for development of new products is challenging, especially for small and medium-sized enterprises (SME). Therefore, virtual process design is suitable and meanwhile state of the art for target and on-time design in sheet metal forming. An insufficient prediction accuracy can lead to design errors and wrong project planning of forming tools or whole plants.
This would result in a deficient shape accuracy of the final parts. In addition to the material modelling of mechanical properties, the consideration of tribology is becoming more and more important. Therefore, the primary objective of the project "Tribologie Ziehsickendurchlauf" was to analyse and evaluate the effects of a drawbead passage on the tribological conditions in a deep drawing process.
The focus of the numerical and experimental investigations was the improved understanding of the process when using a drawbead in industrial applications and its tribological impact on the process.
Another aspect was to improve the prediction of simulations with regard to the frictional behaviour. In addition, the relationship between tribology and work hardening in the drawbead was analysed. Furthermore, the findings in the model test setup were validated on basis of a real size sheet metal part.
In work package (WP) 1, the test materials, the used tools and target parameters were defined. The model test setup used was the "strip tensile test with drawbead geometry", which is already known from the project EFB-Forschungsbericht Nr. 510. Among others, the specific retention force and the sheet thickness were defined as target values.
The drawbead height, the drawbead gap, the blank holder force, the drawbead shape, the lubrication amount and the lubricant type and the test velocity were defined as test parameters. Furthermore, confocal microscopy was chosen for the analysis of surface characteristics and topography according to first tests. In WP 2, the influence of a drawbead on the surface topography was investigated in detail.
Material- and parameter-dependent results with differences depending on the sheet side were shown. In contrast to the retention forces, the differences could not be correlated to geometrical values, which indicates the influence of the sequential loads on the surface. For the steel materials, significant smoothing was evident, while for aluminium, roughening could be detected in most cases on one side of the sheet after a drawbead passage.
In WP 3, an increase in the coefficient of friction after a drawbead passage was proven by different experimental methods. They were individually adapted to the used materials. The experimentally determined friction coefficients were then transferred into numerical models by using a substitute modelling.
The prediction quality for the model test setup was significantly increased and compared to conventional ways of friction modelling. With the aid of simulations, the findings were discussed and evaluated. Afterwards, a validation in a deep-drawing process with drawbeads was carried out in WP 4. The findings from the model test were transferred and validated.
Finally, the difference between linear and convex drawbead geometries as well as an increase in the tool temperature during the drawbead passage were analysed for certain parameters.
In summary, a significant change in the tribological properties while and after a drawbead passage could be demonstrated in a model test setup and in a deep drawing process based on different analyses. By applying the recommended and developed substitute modelling, the prediction quality in the design process of sheet metal parts in deep drawing processes can be increased significantly.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Das tribologische System in Tiefziehprozessen
2.2 Veränderung des tribologischen Systems beim Ziehsickendurchlauf
2.3 Verschleiß im Tiefziehprozess mit Ziehsicken
2.4 Numerische Modellierung der Reibzahl bei Tiefziehprozessen
2.5 Bewertung zum Stand der Technik
3 Zielsetzung und methodische Vorgehensweise
4 Festlegung der Versuchswerkstoffe und Zielgrößen
4.1 Verwendete Werkstoffe
4.1.1 Aluminiumlegierung AA6014
4.1.2 Tiefziehstahl DC04
4.1.3 Höchstfester Stahl DP800
4.2 Streifenzugversuch mit Ziehsicke
4.3 Charakterisierung der Härte nach dem Ziehsickendurchlauf
4.4 Charakterisierung der Oberflächentopographie nach dem Ziehsickendurchlauf
4.5 Materialmodellierung zum Einsatz in der FEM
4.6 Aufbau der Simulationsmodelle zur numerischen Analyse
4.6.1 Streifenzugversuch mit Ziehsickendurchlauf
4.6.2 Tiefziehwerkzeug mit Ziehsicken und Digitalisierung der Bauteile
5 Analyse des Einflusses der Ziehsicke auf die Oberflächentopografie
5.1 Analyse der Oberflächentopografie nach dem Ziehsickendurchlauf
5.2 Analyse und Bewertung der Mikro- und Oberflächenhärte nach dem Ziehsickendurchlauf
5.3 Analyse der Wechselwirkungen zwischen der Verfestigung und Oberflächentopografie
6 Untersuchung der Tribologie und Ableitung eines Funktionalzusammenhangs
6.1 Einfluss des Schmierstoffs und Restölanalyse nach dem Ziehsickendurchlauf
6.2 Reibzahlanalyse an Streifen nach dem Ziehsickendurchlauf
6.3 Ersatzmodellierung der Reibzahl in Simulationsumgebung
6.4 Übersicht und Bewertung der Erkenntnisse im Modellversuch Streifenzug mit Ziehsicke
7 Übertragung und Validierung der Erkenntnisse im Tiefziehprozess mit Ziehsicke
7.1 Aufbau des Tiefziehprozesses mit Ziehsicken
7.2 Validierung anhand einer Streifengeometrie
7.3 Validierung am geschlossenen Ovalnapf
7.4 Punktuelle Untersuchung der Temperaturentwicklung bei Tiefziehprozessen
8 Anwenderleitfaden
8.1 Simulation eines Umformprozesses mit Ziehsicke unter Beachtung der tribologischen Auswertung
8.2 Experimentelle Aufbauten zur Analyse der tribologischen Bedingungen beim Ziehsickendurchlauf
9 Offene Fragen und Forschungsbedarf
9.1 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse für KMU
10 Literaturverzeichnis