Simulationsgestützte Abstimmung von Ziehkissen
Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Weber, Dipl.-Ing. Tobias Schulze, Institut für Fluidtechnik der Technischen Universität Dresden - Prof. Dr.-Ing. habil. Knut Großmann, Dipl.-Ing. Lars Penter, Dipl.-Ing. Christer-Clifford Schenke, Institut für Werkzeugmaschinen und Steuerungstechnik der Technischen Universität Dresden
120 Seiten - 72,00 EUR (sw, 86 teils farbige Abb., 7 Tab.)
ISBN 978-3-86776-458-2
Zusammenfassung
Während des Tief- und Streckziehens treten vielfältige Wechselwirkungen zwischen Werkstück, Werkzeug und Maschine auf, welche eine gezielte Beeinflussung des Tiefziehprozesses erschweren. Da bei der Simulation neuer Tiefziehwerkzeuge Einflüsse wie Stößelkippung, Auffederung oder Durchbiegung von Maschinenelementen nicht berücksichtigt werden, ist die Vorhersage der Werkzeugtopologie fehlerbehaftet, was zu zeit- und kostenintensiven Einarbeitungsphasen führt.
Zur Steuerung des Blechflusses während des Umformprozesses werden in einfachwirkenden Tiefziehpressen häufig hydraulische Zieheinrichtungen eingesetzt, die den Niederhalter des Umformwerkzeuges mit einer definierten Kraft beaufschlagen. Die zielgerichtete Einstellung der Niederhalterkraft bietet, insbesondere in Mehrpunktziehanlagen, ein hohes Potential zur positiven Beeinflussung des Tiefziehprozesses. Teile- und maschinenspezifische Prozessparameter für Zieheinrichtungen können mit bislang eingesetzten Simulationsanwendungen und -modellen jedoch nur unzureichend genau bestimmt werden, da diese sowohl die elasto-statischen Einflüsse der Maschine als auch das Verhalten der Regelung der Antriebe nicht berücksichtigen.
Die Berücksichtigung von Maschineneinflüssen bei der Prozesssimulation sowie die effektive Nutzung der Einstellmöglichkeiten moderner Zieheinrichtungen kann wesentlich zur Verkürzung der Einarbeitungszeit neuer Tiefziehwerkzeuge beitragen.
Das im vorliegenden Abschlussbericht beschriebene Forschungsvorhaben erweitert daher die bekannten Ansätze zur Simulation des Umformprozesses (Finite-Elemente-Methode) und des Maschinenverhaltens (digitale Blocksimulation) und verknüpft diese in einer Co-Simulation zu einem Gesamtsystemmodell von Maschine, Werkzeug und Prozess. Die durchgeführten Arbeiten beinhalten den Aufbau einer Versuchsanordnung an einer modernen Tiefziehpresse mit entsprechenden Werkzeugkonfigurationen und Messsystemen sowie deren Abbildung in detaillierten Maschinen- und Prozessmodellen. Es erfolgte die Implementierung einer Co-Simulationsanwendung, durch deren Weiterentwicklung die Berechnungszeit des Gesamtsystemmodells erheblich reduziert werden konnte.
Die Arbeiten zeigen, dass die elasto-statischen Eigenschaften von Presse und Werkzeug besonders bei großen Prozess- und Niederhalterkräften sowie exzentrischen Lasten bei der FE-Prozesssimulation zur genauen Prognose der Ziehteilqualität auf der Produktionsmaschine berücksichtigt werden müssen. Bei höheren Stößelgeschwindigkeiten und den damit verbundenen Regelabweichungen der Ziehkissen-Zylinderkräfte von den Sollkräften ist es zudem erforderlich, auch die Eigenschaften der Hydraulik und Steuerung zur korrekten Bauteilprognose einzubeziehen. Durch die erarbeiteten Methoden und Modellierungsansätze zur Co-Simulation ist die virtuelle Prognose der Ziehkissen-Sollkräfte sowohl bei großen Kräften als auch bei hohen Stößelgeschwindigkeiten möglich. Zudem konnte mit dem Gesamtsystemmodell der Einfluss werkzeugspezifisch optimierter Reglerparameter auf die Maschinengenauigkeit und damit das Umformergebnis abgebildet werden.
In umfangreichen Experimenten wurden die virtuell bestimmten Ziehkissen-Sollkräfte für unterschiedliche Werkzeug/Blechwerkstoff-Kombinationen bestätigt und stets ein Gutteil produziert.
Das Ziel des Vorhabens wurde erreicht.
Das IGF-Vorhaben „Simulationsgestützte Abstimmung von Ziehkissen“ wurde unter der Fördernummer AiF 17002BR von der Forschungsvereinigung EFB e.V. finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 412 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.
Summary
Simulation-aided try out of die cushions
A variety of interactions between work piece, tool and machine occur during deep drawing which complicates the task of controlling the process. Due to neglecting influences on the drawn part such as slide tilting, vertical press stiffness and deflections in FE process simulations during the today’s tool development phase, the prediction of the tool’s topology is incorrect and entails expensive manual die spotting.
Single-action presses typically use hydraulic die cushions to control the material draw-in during the forming process by applying a defined force on the blank holder. When fed with correct set values for required cylinder forces, in particular, multi-point cushion systems offer a great potential for locally controlling the deep drawing process. Since currently used simulation models do not comprise elasto-static machine properties and the actual drive control behavior, part- and machine specific parameters for die cushion systems cannot be correctly determined.
The implementation of machine properties into FE process simulations and the effective usage of the variety of available settings in modern die cushions can be a significant contribution towards shortening die spotting for new tools.
The research work presented in the following report focuses on advancing existing methods to simulate the forming process (FEA) and the machine behavior (digital block simulation) and on coupling those to one holistic system model of the machine, tool and process. The research work comprises the set-up of an experiment on a modern drawing press with appropriate tooling and monitoring system and its set-up in precise FE process and machine models. The task was followed by the implementation of a Co-simulation which was structurally improved entailing a massive reduction of computation time.
The research work demonstrated that the elasto-static properties of press and tooling gain significance for a precise prediction of the part quality with growing process and blank holder forces as well as increasing load eccentricities. High slide velocities which bring larger control offsets of the die cushion cylinder forces require the implementation of the properties of the hydraulics and the control system into the process simulation for accurate prediction. The methods and approaches allow for the prognosis of set values for the die cushion cylinders even for large process forces and at high slide velocities.
Additionally, the influences of tool-depended values for the controller parameters on the machine’s accuracy and on the forming process were demonstrated.
A vast number of experimental verification runs for the machine model, the process model and the Co simulation were conducted. The cylinder set forces were predicted for different sheet materials and tool positions. A sound part was produced for every computed set of cylinders.
The research goal was achieved.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Summary
Abbildungsverzeichnis
Tabellen
Formelzeichen und Indices
1 Einleitung
2 Stand der bisherigen Forschung
2.1 Zieheinrichtungen in Tiefziehpressen
2.2 Modellierung und Simulation
2.2.1 Finite-Element-Modelle des Tiefziehprozesses
2.2.2 Systemmodelle von Tiefziehpressen und Zieheinrichtungen
2.3 Gekoppelte Simulation
3 Zielsetzung und Lösungsweg
3.1 Forschungsziel
3.2 Innovativer Beitrag der Forschungsergebnisse
3.3 Lösungsweg
4 Beispielkonfiguration
4.1 Hydraulische Tiefziehpresse mit Mehrpunktziehkissen
4.2 Tiefziehwerkstoffe
4.3 Versuchswerkzeuge
4.4 Messwerterfassung
5 Modellbildung
5.1 Simulationsmodell der hydraulischen Tiefziehpresse
5.1.1 Methodik
5.1.2 Mechanisches Modell der Tiefziehpresse
5.1.3 Ersatzmodell des Stößelantriebs
5.1.4 Hydraulisches Ersatzmodell des Ziehkissens
5.1.5 Modell der Steuerung und Regelung
5.1.6 Erweiterung zum dreidimensionalen Modell mit vier Ziehkissenzylindern
5.1.7 Verifikation des Maschinenmodells
5.2 FE-Prozessmodell
5.2.1 Basismodell
5.2.2 Prozessmodellerweiterungen innerhalb der FE-Umgebung
5.2.3 Modellkalibrierung
5.2.4 Validierung der erweiterten FE-Prozessmodelle
5.3 Simulatorkopplung
5.3.1 Entwicklung der Koppelschnittstelle
5.3.2 Simulationsablauf und Programmstrukturen
5.3.3 Benutzeroberfläche
5.4 Gesamtsystemmodell
5.4.1 Verifikation der Ziehkissenkräfte
5.4.2 Räumliches Modell
6 Modellanwendung
6.1 Optimale Antriebsregelung
6.1.1 Einsatz optimierter Reglerparameter für die Ziehkissenzylinder in der Co-Simulation
6.2 Ziehkisseneinstellung
6.2.1 Berechnung der Zylinderkräfte bei niedrigen Stößelgeschwindigkeiten
6.2.2 Berechnung der Zylinderkräfte bei hohen Stößelgeschwindigkeiten
7 Ergebnisse und Ausblick
8 Literatur