Erhöhung der Schnittflächenqualität mittels Hohlschneiden
Verfasser:
M. Sc. Adrian Schenek, Dipl.-Ing. Sergei Senn, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Mathias Liewald, Institut für Umformtechnik der Universität Stuttgart
114 Seiten - 83,00 EUR (sw, 50 teils farbige Abb., 10 Tab.)
ISBN 978-3-86776-652-4
Zusammenfassung
Das Scherschneiden zählt allgemein zu den wirtschaftlich bedeutendsten Fertigungsverfahren der blechbearbeitenden Industrie. Nahezu jedes Blechbauteil wird im Laufe seiner Fertigungskette als Rohteil aus dem Halbzeug geschnitten und/oder nach Umformoperationen beschnitten und/oder gelocht. Im Zuge stetig ansteigender Anforderungen an die Qualität von Blechbauteilen müssen die beim Scherschneiden entstehenden Bauteilkanten heute vermehrt Qualitätsgüten von Bauteilfunktionsflächen aufweisen.
In der industriellen Praxis sind solche relativ hohen Qualitätsgüten bei Schnittkanten bzw. -flächen durch einen geringen Kanteneinzugsradius, einen hohen Glattschnittanteil, Gratfreiheit, geringe Bruchflächenhöhen und enge Fertigungstoleranzen charakterisiert.
Des Weiteren ist neben einer möglichst hohen Schnittflächenqualität bei der Herstellung schergeschnittener Bauteile auch die Produktivität des verwendeten Verfahrens von ent-scheidender Bedeutung. Diese Produktivität ist insbesondere durch möglichst hohe Au-bringungsmengen (Bauteile pro Minute), geringe Werkzeugkosten und niedrige Werkzeuginstandhaltungskosten gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang zählt das konventionelle Scherschneiden bzw. Lochen mit einfachwirkenden Pressen zu den produktivsten Schneidverfahren.
Hierbei können nach aktuellem Stand der Technik mit relativ einfachen Werkzeugkonzepten Hubzahlen von bis zu 3000 Hüben pro Minute realisiert werden. Nachteilig ist jedoch, dass mit dem konventionellen Scherschneiden (= Normalschneiden) nur Schnittkanten mit vergleichsweise groben Toleranzen (IT11) und maximalen Glattschnittanteilen von bis zu 50% der Blechdicke erzeugt werden können.
Streben Fertigungs- und Methodenplaner höhere Bauteilqualitäten an, so müssen üblicherweise Präzisionsschneidverfahren wie Feinschneiden, Genauschneiden, Nachschneiden oder Konterschneiden eingesetzt werden. Mittels des Feinschneidens können beispielsweise Glattschnittanteile von bis zu 100% und Bauteilqualitäten der Toleranz-klasse IT7 erreicht werden.Verglichen mit dem Normalschneiden führt die höhere Werkzeug- und Prozesskomplexität der genannten Präzisionsschneidverfahren jedoch zu deutlich geringeren Ausbringungsmengen und höheren Bauteilkosten.
Durch das in diesem Forschungsprojekt entwickelte Verfahren des Hohlschneidens ist es möglich, geschnittene Kanten herzustellen mit einer Qualitätsgüte, die annähernd mit der des Feinschneidens vergleichbar ist. Die Werkzeug- und Prozesskomplexität ist dabei mit dem Normalschneiden vergleichbar, da der Unterschied zwischen dem konventionellen Scherschneiden und dem Hohlschneiden lediglich in der Stirnflächengeometrie der verwendeten Schneidstempel besteht.
Die Stempelstirnfläche ist beim Hohlschneiden stark konkav ausgearbeitet und unter-scheidet sich damit deutlich von den plan gefertigten Stirnflächen konventioneller Schneidstempel. Im Rahmen der durchgeführten numerischen und experimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass mittels Hohlschneidens geschnittene Blechkanten mit relativ geringem Kanteneinzug, einem vergleichsweise hohen Glattschnittanteil und einer nahezu zur Blechoberseite rechtwinkligen Schnittfläche erzeugt werden können.
Die hohen Qualitätsanforderungen an Schnittkanten, die als Funktionsflächen dienen müssen, könnten somit durch die Ertüchtigung des Hohlschneidens hinsichtlich der Anwendung in der industriellen Fertigung durch einen einfachen Schneidprozess erfüllt werden. Durch die kostensparende Einsatzmöglichkeit – es müssen lediglich konventionelle Schneidstempel in Normalschneidwerkzeugen durch Hohlschneidstempel ersetzt werden - ist das Verfahren gerade auch zur Umsetzung in Fertigungsprozessen von KMUs mit einem begrenzten Entwicklungsbudget geeignet.
Förderhinweis
Das IGF-Vorhaben „Erhöhung der Schnittflächenqualität mittels Hohlschneiden" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 21053N über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 593 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.
Summary
Shear cutting is one of the most frequently used manufacturing processes in the sheet metal working industry. Almost every sheet metal component needs to be trimmed or punched during its production chain. Thereby, the component edges resulting from these shear cutting processes must meet increasing quality requirements for components' functional surfaces.
In industrial production processes, such high-quality grades for punched and trimmed edges and surfaces are characterized by a small edge draw-in height, a high proportion of clean cut, absence of burrs, low fracture surface heights and narrow manufacturing tolerances. In addition to a high cutting surface quality, the productivity of shear cutting processes is also of high importance.
The productivity of trimming and punching processes is characterized by high output rates (components per minute), low die costs and low die maintenance costs. These criteria are met in particular with conventional shear cutting or punching processes using single-acting presses. A disadvantage of these conventional shear cutting processes (= normal cutting), however, is that only component edges with comparatively coarse tolerances (IT11) and maximum clean cut proportions (CCP) of up to 50% of the sheet thickness can be produced.
If production and process planners are aiming for higher component qualities, more complex cutting processes such as fine blanking, precision blanking or recutting need to be used today. By fine blanking, for example, CCPs up to 100% and component qualities of tolerance class IT7 can be achieved. Compared to conventional trimming and punching processes, however, the higher tool and process complexity of such precision cutting processes lead to significantly lower output quantities as well as higher tooling and component costs.
In order to achieve high CCPs without the need for complex tool kinematics, a new punch design has been developed and is presented in this report. The idea of the so-called concave punch nose design is to optimize the geometry of conventional punches in order to enlarge clean cut proportion along the produced cutting surface. In analogy to fine blanking, the basic physical principle behind this process is to induce compressive stresses in the shear-affected zone.
The major advantage of using a concave punch nose design as opposed to other precision punching processes is that cutting surface quality can be improved by minor changes in existing punching tools. Thus, punches of conventional shear cutting processes only need to be replaced by the optimized concave punch nose design.
The numerical and experimental investigations presented in this contribution show that the concave punch nose design significantly increases the cutting surface quality. Compared to conventional punching, concave punch nose design for example increases clean cut proportions by more than 100% when punching high strength sheet metal materials.
From endurance testing, recommendations could be derived for the structural dimensioning of the newly developed punch design. Since the new concave punch nose design can be quickly and cost-effectively integrated into existing manufacturing processes, it is particularly suitable for SMEs with limited development budgets.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Normalschneiden und Schnittflächenqualität
2.1.1 Grundlagen des Normalschneidens
2.1.2 Schnittflächenkenngrößen an schergeschnitten Blechbauteilkanten
2.2 Sonderschneidverfahren zur Steigerung der Schnittflächenqualität
2.2.1 Feinschneiden
2.2.2 Genauschneiden
2.2.3 Nachschneiden
2.2.4 Hohlschneiden (Voruntersuchungen)
2.3 Zusammenfassung und Fazit zum bestehenden Stand der Technik
3 Zielsetzung und Vorgehensweise
4 Materialcharakterisierung und Modifikation eines Simulationsmodells (AP1)
5 Simulative Sensitivitätsanalyse und Prozessoptimierung (AP2)
6 Konstruktion und fertigungstechnische Anpassung eines Versuchswerkzeuges (AP3)
7 Experimentelle Parameterstudie und Validierung der Simulationen (AP4)
7.1 Einzelhubuntersuchung für den Blechwerkstoff DC03 (Schneidspalt 10%)
7.2 Einzelhubuntersuchung für den Blechwerkstoff DC03 (Schneidspalt 15%)
7.3 Einzelhubuntersuchung für den Blechwerkstoff DP600 (Schneidspalt 10%)
7.4 Einzelhubuntersuchung für den Blechwerkstoff DP600 (Schneidspalt 15%)
7.5 Einzelhubuntersuchung für den Blechwerkstoff DP800 (Schneidspalt 10%)
7.6 Einzelhubuntersuchung für den Blechwerkstoff DP800 (Schneidspalt 15%)
7.7 Validierung der Scherschneidsimulationen und Zwischenfazit
8 Übertragbarkeitsanalyse für den Aluminiumwerkstoff EN AW 6016 (AP4)
9 Dauerlaufuntersuchungen (AP5) und Definition von Prozessgrenzen (AP6)
9.1 Dauerlaufuntersuchungen für den niederfesten Blechwerkstoff DC03
9.2 Dauerlaufuntersuchungen für den hochfesten Blechwerkstoff DP600
9.3 Prozessgrenzen für das Hohlschneiden unter Dauerlaufbedingungen
10 Ergebnisse und Ausblick
10.1 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse für KMU
11 Literaturverzeichnis
12 Anhang
12.1 Python Code zur bildbasierten Schnittflächenauswertung
12.2 Formabweichung experimentell ermittelter Schnittflächen