EFB-Forschungsbericht Nr. 591

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Vermeidung hochkommender Stanzbutzen durch Beeinflussung der Butzenreibung

efb-591

Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Volk, M. Sc. Markus Welm, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der Technischen Universität München

84 Seiten - 77,00 EUR (sw, 39 teils farbige Abb., 4 Tab.)   Shop
ISBN 978-3-86776-650-0


Zusammenfassung

Ziel des Forschungsvorhabens war die Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Prozessparametern und der Reibkraft zwischen Butzen und Matrize, die als wichtigste Stellschraube für die Vermeidung von hochkommenden Stanzbutzen dient. Mit der genauen Kenntnis der Einflussfaktoren kann die Reibkraft gezielt beeinflusst und das Hochkommen von Butzen verhindert werden.

Dies ermöglicht bereits im Vorfeld der Werkzeugfertigung die gezielte Auswahl von prozessangepassten Abhilfemaßnahmen in Form einer geeigneten Prozessparameterwahl. Derzeit erfolgen solche Maßnahmen meist erst nach Eintritt eines Schadensfalls und sind aufgrund von mangelnder Kenntnis der Wechselwirkungen in der Regel erfahrungsbasiert.

Zur Erreichung des Ziels wurden zunächst im Austausch mit Vertretern der Industrie kritische, zu hochkommenden Stanzbutzen führende Prozessparameter, identifiziert. Hier sind beispielhaft der Blechwerkstoff, die Blechdicke und der Stempeldurchmesser zu nennen. Es zeigte sich, dass es über den gesamten Parameterbereich kritische Zonen gibt, in denen Butzen hochkommen.

Außerdem wurden herkömmliche Abhilfemaßnahmen diskutiert, die zumeist auf eine Erhöhung der Reibkraft zwischen Butzen und Matrize abzielen.
Zusammen mit den Ergebnissen aus dem Vorgängerprojekt „Ursache und Vorhersage von hochkommenden Stanzbutzen" (Fördernummer: 18440N) wurde die Reibkraft als die wichtigste und auch einzig notwendige Stellschraube für die zuverlässige Vermeidung hochkommender Stanzbutzen ermittelt.

Zur Bestimmung und Gewichtung der Einflussfaktoren auf die Reibkraft wurden Parameterstudien mit Hilfe eins FEM-Simulationsmodell durchgeführt, die mit Hilfe des modifi-zierten Versuchswerkzeugs aus dem Vorgängerprojekt validiert wurden.

Als Basis für das FEM-Modell und zur Ermittlung des Bruchkriteriums (Johnson-Cook Ductile Model) dienen einerseits Materialkenngrößen, die in Zugversuchen bestimmt wurden, andererseits Ergebnisse aus den experimentellen Versuchen, insbesondere die Schnittflächencharakteristika. Das Modell ist zweidimensional aufgebaut und macht sich die Rotationsymmetrie der Butzen zu Nutze. Die Validierung bestätigt den Ergebnissen der Simulation eine hohe Genauigkeit.

Das validierte FEM-Modell wurde für Parameteruntersuchungen genutzt. Hierbei wurden der Werkstoff, die Blechdicke, der Stempeldurchmesser, die Stempelkantenverrundung und die Aktivelementegeometrien variiert. Auf letzteren lag das Hauptaugenmerk in die-sem Forschungsprojekt.
Aus den numerischen Berechnungen wurden die Scherbandbildung und damit die Schnittflächenkenngrößen, die die Berührfläche zwischen Butzen und Matrize definieren, sowie die Radialspannungen des Butzens am unteren Umkehrpunkt, die zusammen mit der Berührfläche die Reibkraft ergeben, ermittelt. Daraus wurden die Auswirkungen der einzelnen Prozessparameter auf die Reibkräfte bestimmt.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass für die verschiedenen Werkstoffe unterschiedliche Prozessparameter die Reibkraft beeinflussen. So ist beispielsweise der Einfluss der Blechdicke bei der Verarbeitung von EN AW 6014 sehr gering, DC04 reagiert hingegen sensibel auf eine Veränderung. Auch zeigen die Werkstoffe bei Veränderung des Stempeldurchmessers uneinheitliches Verhalten.

So korreliert bei kleinen Durchmessern die Reibkraft mit der Werkstofffestigkeit, bei großen Durchmessern gilt dies nur noch bei EN AW 6014 und DC04, bei 1.4301 nicht mehr. Dies zeigt, warum das Auftreten von hochkommenden Butzen schwer vorhersagbar ist und Abhilfemaßnahmen bisher schwierig zu finden sind.

In den experimentellen Versuchen wurde auch der Einfluss von Schmierstoffen untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass ein Schmierstoffeinsatz die Prozesskräfte generell herabsetzt, was auch für die Reibkraft zwischen Butzen und Matrize gilt, der Effekt aber eher als gering einzuschätzen ist.

Den größten Einfluss auf die Reibkräfte hat die Aktivelementegeometrie, insbesondere die Matrizengeometrie, genauer der Matrizenwinkel. Als entscheidender Faktor zur Beeinflussung der Reibkraft wurde hier die Komprimierung des Butzens ermittelt.

Fällt diese zu klein aus, ist auch das Butzenübermaß klein und die Reibkräfte gering. Fällt die Komprimierung zu groß aus, treten zwei Effekte zu Tage, die die Reibkraft bis auf null herabset-zen können.

Zum einen entsteht eine sehr hohe Butzendurchbiegung, die letztendlich zum Ausknicken des Butzens nach unten führt. Zum anderen können die radialen Kräfte so groß werden, dass an Geometrieübergängen in der Matrize, also beispielsweise, wenn der Butzen aus einem konischen Bereich austritt, eine plastische Verformung auftritt, der Butzen im weiteren Verlauf nicht mehr an der Matrize anliegt und ein Hochkommen sehr wahrscheinlich wird. Die Geometrie der Stempelstirnfläche zeigt im Vergleich zur Matrize einen geringen und dabei sogar eher schädlichen Einfluss.

Insgesamt haben die Untersuchungen gezeigt, dass eine Strategie, um hochkommende Stanzbutzen zu verhindern immer an die Prozessparameter, insbesondere den Werkstoff, angepasst sein muss. Dann kann der Einsatz passender Aktivelemente dabei helfen hochkommende Butzen zuverlässig zu verhindern.

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben „Vermeidung hochkommender Stanzbutzen durch Beeinflussung der Butzenreibung" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 21003N über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 591 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

Summary

The aim of the research project was to investigate the influencing factors on the frictional force between slug and die, which is important for preventing slugs from rising. With precise knowledge of these factors, the frictional force can be specifically influenced and the emergence of slug pulling can be prevented.

This enables the targeted selection of process-adapted prevention measures in the form of process parameter selection already in the production planning. At present, such measures are usually taken after a damage event has occurred and are based on experience due to a lack of knowledge of the interactions.

To achieve the objective, critical process parameters leading to slug pulling were first identified in an exchange with representatives of industrial companies. For example the sheet material, the sheet thickness and the punch diameter. Here it appears, that there are critical zones across the entire parameter range where slugs come up. Conventional corrective measures were also discussed, mostly aimed at increasing the frictional force between slug and die.

Together with the results from the previous project, the friction force was identified as the most important and also the only necessary measure for the reliable prevention of slug pulling. To determine and weight the influencing factors on the frictional force, parameter studies were carried out using an FEM simulation model, which was validated on the modified test tool from the previous project.

The FEM model and the determination of the fracture criterion (Johnson-Cook Ductile Model) are based on the one hand, on material parameters determined in tensile tests and, on the other hand, on results from the experimental tests, in particular the cutting surface characteristics. The model is two-dimensional and uses the rotational symmetry of the slugs. The validation confirms the results simulation a high accuracy.

The validated FEM model was used for parameter investigations, variating the material, sheet thickness, punch diameter, punch edge fillet and active element geometries. The latter were the main focus of this research project. From the numerical calculations, the shear band formation and thus the cutting surface parameters defining the contact area between slug and die, as well as the radial stresses of the slug at the bottom dead center, which together with the contact area result in the frictional force, were determined. From this, the effects of the individual process parameters on the frictional forces were investigated.

The investigations showed that different process parameters influence the frictional force in manifold ways for the different materials. For example, the influence of sheet thickness is very slight when processing EN AW 6014, while DC04 reacts sensitively to a change. The materials also show inconsistent behavior when the punch diameter is changed.

For small diameters, for example, the frictional force correlates with the material strength; for large diameters, this is only true for EN AW 6014 and DC04, and no longer for 1.4301. This shows why the occurrence of slug pulling is difficult to predict and corrective measures are difficult to find.
In the experimental tests, the influence of lubricants was also investigated. It appears that the use of lubricants generally reduces the process forces, which also applies to the frictional force between the slugs and the die, but that the effect is rather small.

The greatest influence on the frictional forces is exerted by the active element geometry, in particular the die geometry, or more precisely the die angle. The compression of the slug was determined to be the decisive factor influencing the frictional force. If this is too small, the slug oversize is also small and the frictional forces are low. If the compression is too high, two effects arise that can reduce the frictional force to zero.

First, there is a very high slug deflection, which ultimately leads to downward buckling of the slug. On the other hand, the radial forces can get so high that at geometry transitions in the die, for example when the slug exits from a conical area, plastic deformation occurs. Thus, the slug is no longer in contact with the die as it progresses, enhancing the probability of slug pulling. Compared to the die, the geometry of the punch face shows a minor and even rather detrimental influence.

Overall, the investigations have shown that a strategy to prevent slug pulling must always be adapted to the process parameters, in particular the material. The use of suitable active elements can help to reliably prevent slug pulling.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Scherschneiden
2.1.1 Verfahrenseinteilung
2.1.2 Begriffsklärung und Verfahrensprinzip
2.1.3 Kräfte und Momente beim Scherschneiden
2.1.4 Schnittflächenqualität und -kenngrößen
2.2 Hochkommende Stanzbutzen
2.2.1 Auftreten und Folgen
2.2.2 Bekannte Ursachen
2.2.3 Abhilfemaßnahmen
3 Forschungsziel und Vorgehensweise
3.1 Forschungsziel
3.2 Vorgehensweise
4 Versuchs- und Messeinrichtungen
4.1 Stanz-Biege-Automat
4.2 Konfokales 3D-Laserscanning Mikroskop
4.3 Funkenspektrometer
4.4 Zug-Druck-Prüfmaschine
5 Werk- und Schmierstoffe
5.1 Werkstoffe
5.2 Schmierstoffe
6 Versuchswerkzeug
6.1 Aufbau des Werkzeugs
6.2 Messtechnikintegration und Kalibrierung
6.3 Vorgehensweise zur Reibkraftbestimmung
7 Finite-Elemente Simulationen
7.1 Modellaufbau
7.2 Materialmodell und Bruchkriterium
7.3 Simulationsvalidierung
7.4 Ermittelte Werte und Ergebnisdarstellung
8 Versuchsplan und Parameter
9 Einflussfaktoren auf die Reibkraft
9.1 Schmierstoff
9.2 Blechdicke
9.3 Blechwerkstoff
9.4 Stempeldurchmesser
9.5 Aktivelementegeometrie
9.5.1 Stempelgeometrie
9.5.2 Matrizengeometrie
9.6 Hochkommende Stanzbutzen im Experiment
9.7 Sonderfälle
9.7.1 Doppelter Butzen
9.7.2 Verkippter Butzen
9.8 Wichtigste Einflussfaktoren auf die Reibkraft
10 Hinweise zur Vermeidung hochkommender Stanzbutzen
10.1 EN AW-6014
10.2 DC04
10.3 1.4301
11 Ergebnisse und Ausblick
11.1 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse für KMU
12 Literaturverzeichnis

 


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