EFB-Forschungsbericht Nr. 465

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Einfluss von Werkzeugspannmitteln auf die Werkstückqualität bei Stanz- und Tiefziehprozessen

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Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Peter Groche, M. Sc. Dominik Kraus, Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen, Technische Universität Darmstadt  

100 Seiten - 75,00 EUR (sw, 69 teils farbige Abb., 6 Tab.)
ISBN 978-3-86776-515-2



Zusammenfassung

Schwingungen und Verlagerungen in Umformwerkzeugen und -anlagen führen zu einem erhöhten Verschleiß der Werkzeuge und zu einer Minderung der Bauteilqualität. Bisherige Arbeiten zielen auf eine Versteifung der Anlagen und Werkzeuge sowie auf das Einbringen von Dämpfungssystemen ab. Diese Lösungsansätze bedeuten jedoch immer einen Mehraufwand, bei dem teilweise eigenständige Systeme in die Fertigungsanlage integriert werden müssen. Zudem wirken sich Dämpfungssysteme aufgrund ihrer Eigenschaft, Energie zu dissipieren, immer negativ auf die Energiebilanz der Fertigungsanlage aus und beschränken ihre Performance.

Gegenstand des vorliegenden Forschungsvorhabens war es daher, nicht das Werkzeug oder die Presse, sondern die Schnittstelle beider Systeme zueinander – die Werkzeugspannsituation – zu betrachten. Vereinfachend wird diese im Folgenden als Spannsituation bezeichnet. Am Beispiel der weitverbreiteten Umformverfahren Scherschneiden und Tiefziehen wurde der Einfluss der Spannsituation auf Werkzeug- und Bauteilkenngrößen sowohl experimentell als auch numerisch untersucht und bewertet. Ein Vergleich der Spannsituationen erlaubt deren Bewertung bezüglich der Prozessstabilität. Hierzu war es nötig, die relevanten Parameter der Spannsituation als auch die durch sie beeinflussten Werkzeug- und Bauteilkenngrößen zu identifizieren.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden zunächst ein Scherschneid- und ein Tiefziehwerkzeug konstruiert und gefertigt bzw. konstruktiv erweitert und angepasst. Zur Erfassung der Werkzeugbewegungen wurde ein optisches Messsystem durch die Firma GOM GmbH bereitgestellt sowie seitens des Instituts für Produktionstechnik und Umform-maschinen (PtU) eine Messkette zur hochfrequenten Messung von Beschleunigungen, Kräften und Bewegungen aufgebaut. Zur Variation der Spannsituation standen konventionelle Maschinenschrauben, Schnellspanner der Firma Lenzkes GmbH als auch Magnetspannplatten der Firma Hilma Römheld GmbH zur Verfügung.

Die Messungen der Beschleunigungen und Werkzeugschwingwege zeigen zwei grundlegende Effekte: Eine steifere Einspannung des Werkzeugs führt auch zu einer Minimierung der Beschleunigungen und Schwingwege. Eine steifere Spannung wird dabei durch eine Erhöhung der Spannpunktanzahl oder durch das flächige Spannen erreicht. Der Vergleich verschiedener punktuell spannender Systeme zeigt, dass die Krafteinleitung nahe der Prozesskraft zu einer weiteren Versteifung führt. So kann mit Schnellspannern, die weiter in der Werkzeugmitte angesetzt werden können als Spannschrauben, die Systemsteifigkeit erhöht werden. Bei gleicher Spannpunktanzahl war bei Verwendung von Schnellspannern der Schwingweg des Unterwerkzeugs um 60 % geringer als bei Verwendung von Spannschrauben. Die Ursache wird dabei in der Verkürzung des Hebelarms zwischen Prozesskraft und Spannpunkt gesehen. Die steifste Spannsituation wurde mithilfe der Magnetspannplatten erreicht. Im Vergleich zu Schrauben war der Schwingweg bei ihrem Einsatz um 70 % geringer.

Der zweite Effekt zeigt, dass beim Einsatz von Spannschrauben die Verwendung von zwei Schrauben die Beschleunigung und die Schwingwege verringert. Dies stellt einen Sonderfall dar, der bei den Schnellspannern nicht beobachtet werden konnte. Der Effekt wird mit einem dämpfenden Schmierfilm begründet, der sich bei einer sehr weichen Spannsituation zwischen Werkzeug und Pressentisch ausbildet und zu einem schnelleren Abklingen der Werkzeugschwingung führt.

Bezüglich des Tiefziehprozesses fällt der Einfluss der Spannsituation auf das Werkzeugverhalten und die Bauteilqualität am Beispiel des untersuchten Versuchswerkzeugs geringer aus. Dennoch konnte auch hier eine Tendenz der Werkzeugbiegung in Abhängigkeit der Spannsituation erkannt werden.

Eine numerische Betrachtung eines groß dimensionierten Werkzeugs, wie es beispielsweise zur Karosserieherstellung eingesetzt wird, zeigt einen deutlich stärkeren Einfluss der Spannsituation. Diese Erkenntnis beruhte allein auf numerischen Simulationen. Magnetspannplatten bieten aufgrund der flächigen Krafteinleitung eine steife Verbindung zwischen Werkzeug und Presse. Welchen Einfluss dabei das Magnetfeld auf das Werkzeug und den Menschen hat, wurde im Rahmen von Feldstärkemessungen ermittelt. Der für Menschen kritische Feldstärkegrenzwert wird im gesamten Arbeitsumfeld der Magnetspannplatte nicht erreicht, weshalb diesbezüglich keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. Im Fall des untersuchten Versuchswerkzeugs wurden die Magnetfeldlinien durch den Werkzeugstahl bis zu den Schneidelementen geleitet, weshalb ein Anhaften von Metallflittern infolge der Magnetkräfte fallabhängig zu berücksichtigen ist.

Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie eine Nutzwertanalyse wurden durchgeführt, um zu ermitteln, unter welchen Bedingungen sich die Mehrkosten für kostenintensivere Spannsysteme wie beispielsweise der Magnetspannplatte amortisieren. Insbesondere die Nutzwertanalyse unterstützt den Anwender bei der finanziellen Beurteilung und dem Vergleich verschiedener Spannsysteme.

Das IGF-Vorhaben „Einfluss von Werkzeugspannmitteln auf die Werkstückqualität bei Stanz- und Tiefziehprozessen" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 18602N über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 465 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

BMWI-DE

Summary

Vibrations and displacement in forming tools and systems lead to increased tool wear and reduced component quality. Previous work is aimed at reinforcing the press and tools as well as the introduction of damping systems. However, these solutions always provoke an increase in the number of independent systems that must be integrated into the production plant. In addition, damping systems have a negative impact on the energy performance of the production plant due to the additional dissipating energy.

Therefore, the object of the present research project was not to consider the tool or the press but the interface between the two systems - the tool clamping situation. The influence of the clamping situation on tool and component characteristics was investigated and evaluated both experimentally and numerically with the help of the widely used forming methods cutting and deep drawing. A comparison of the clamping situations allows the evaluation with regard to the process stability. For this purpose, it was necessary to identify the relevant parameters of the clamping situation as well as the tool and part characteristics influenced by these parameters.

Within the framework of the research project, a cutting and a deep drawing tool was constructed and adapted to the press specifications. An optical measuring system was provided by GOM GmbH and a measuring chain for the high-frequency measurement of accelerations, forces, and movements was set up by the Institute for Production Engineering and Forming Machines (PtU) to measure the tool movements. Conventional bolts, quick releases from Lenzkes GmbH, as well as magnetic clamping plates from Hilma Römheld GmbH were available for varying the clamping situation.

The measurements of the accelerations and the tool movement show two fundamental effects: a stiffer clamping of the tool leads to a minimization of the accelerations and vibrations. A stiffer fixation is achieved by an increase in the number of clamping points or by the flat clamping. The comparison of different locally fixing systems shows that the force introduction near the process force leads to additional stiffening. For example, the system stiffness can be increased by means of quick-release fasteners, which can be mounted closer to the tool center than clamping bolts. For the same number of clamping points, the tool movement of the lower tool was reduced by 60 % when using quick-release fasteners than when using clamping screws.

The cause is seen in the shortening of the lever arm between the process force and the clamping point. The stiffest clamping situation was achieved using the magnetic clamping plates. Compared to screws, the tool movement was reduced by 70 %. The second effect shows that, when using clamping bolts, the use of two bolts reduces the acceleration and the tool movement in comparison to the use of six bolts. This is a special case, which could not be observed with the quick-release fasteners. The effect is caused by a dampening lubrication film, which, in the case of a very soft clamping situation, forms in-between the tool and the press table and leads to a faster decay of the tool vibration.

With regard to the deep-drawing process, the influence of the clamping situation on the tool behavior and the component quality on the example of the tested test tool is smaller. Nevertheless, a tendency of the tool bending could also be observed as a function of the clamping situation. A numerical analysis of a large-scale tool, as is used, for example, for automotive bodywork production, shows a significantly stronger influence of the clamping situation. Since this was a fictitious tool, a validation of the simulation was not intended.

Magnetic clamping plates offer a rigid connection between the tool and the press due to the flat force transmission. The influence of the magnetic field on the tool and the human body was determined by measurements of the flux density. The critical field strength limit for humans is not reached in the entire working environment of the magnetic clamping plate, which is why no negative effects are to be expected. In the case of the investigated test tool, the magnetic field lines were passed through the tool steel to the cutting elements. Thus, the adhesion of small metal particles due to the magnetic forces has to be taken into account depending on the tool design.

A cost-benefit analysis as well as a value-in-use analysis were carried out to determine the conditions under which the additional costs for more cost-intensive clamping systems, such as the magnetic clamping plate, would be amortized. In particular, the utility analysis supports the user in the financial assessment and the comparison of different clamping systems.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Scherschneiden
2.2 Tiefziehen
2.3 Pressen
2.4 Pressenschwingungen
2.5 Werkzeugspannsysteme in der Umformtechnik
2.5.1 Mechanische Spannmethoden
2.5.2 Hydraulische Schnellspannsysteme
2.5.3 Magnetisches Spannen
3 Zielsetzung und Vorgehensweise
4 Bereitstellung der Versuchswerkzeuge
4.1 Auslegung des Scherschneidwerkzeugs
4.2 Auswahl und Inbetriebnahme des Tiefziehwerkzeugs
5 Versuchsanlagen und Messmittel
5.1 Schnellläuferpresse
5.2 Servomotorpresse
5.3 Verwendete Werkzeugspannmittel
5.4 Optisches Messsystem Pontos
5.5 Aufbau einer Messkette zur Beschleunigungs- und Werkzeugbewegungsaufnahme
6 Umfrage zur Werkzeugspannsituation
7 Einfluss der Werkzeugspannsituation beim Scherschneiden
7.1 Experimentelle Untersuchung des elastischen Werkzeugverhaltens
7.2 Numerische Untersuchung des elastischen Werkzeugverhaltens
7.2.1 Modellaufbau
7.2.2 Simulationsauswertung
7.3 Experimentelle Untersuchung des dynamischen Werkzeugverhaltens
7.3.1 Versuchsdurchführung und Auswertemethoden
7.3.2 Ergebnisdarstellung der Langzeitversuche
7.3.3 Ergebnisdarstellung der Vergleichsversuche
8 Einfluss der Werkzeugspannsituation beim Tiefziehen
8.1 Experimentelle Untersuchung
8.2 Numerische Betrachtung der hybriden Spannsituation
9 Auswirkungen von Magnetspannplatten
10 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Spannsysteme
10.1 Gewinnvergleichsrechnung
10.2 Nutzwertanalyse
11 Fazit und Ausblick
12 Ableitung von Handlungsrichtlinien
13 Darstellung des wissenschaftlich-technischen und wirtschaftlichen Nutzens der erzielten Ergebnisse insbesondere für KMU sowie ihres innovativen Beitrags und ihrer industriellen Anwendungsmöglichkeiten
14 Literaturverzeichnis
14.1 Im Projekt verwendete studentische Arbeiten
14.2 Verwendete Literaturquellen

 


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