EFB-Forschungsbericht Nr. 443

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Festklopfen und Festwalzen von austenitisch ferritischem Gusseisen (ADI)

efb443Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Clemens Müller, Dr.-Ing. Jan Scheil, Fachgebiet Physikalische Metallkunde der Technischen Universität Darmstadt - Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch. Ing. Peter Groche, Dr.-Ing. Manuel Steitz, M.Sc. Philipp Stein, Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen der Technischen Universität Darmstadt

98 Seiten - 70,00 EUR (sw, 65 teils farbige Abb., 11 Tab.)
ISBN 978-3-86776-491-9

 

Zusammenfassung

Um Gewicht im Automobil zu sparen, werden immer häufiger höherfeste Bleche für Karosserieteile verwendet. Für den Werkzeugbau bedeutet dies, dass die Oberflächen der Tiefziehwerkzeuge höheren Belastungen standhalten müssen. Eine Möglichkeit, Werkzeuge an die hohen Belastungen anzupassen, ist das (Randschicht-) Härten. Der dabei auftretende Verzug, so wie die teils hohen Anschaffungskosten (bspw. Laseranlage für das Laserhärten) stellen sowohl technologische als auch, vor allem für KMUs, wirtschaftliche Hemmnisse dar.

Gegenstand des vorliegenden Forschungsvorhabens war es daher, den im Werkzeugbau weitverbreiteten Werkzeugwerkstoff EN-JS2070 für das Tiefziehen höherfester Bleche weiter zu qualifizieren, so dass auf einen Härteprozess verzichtet werden kann. Hierzu wird der Werkstoff durch eine gezielte Wärmebehandlung in den sogenannten ADI-Zustand überführt. In diesem Zustand weist der Werkstoff einen, von den Wärmebehandlungsparametern abhängigen, Anteil metastabilen Austenits auf. Bei mechanischer Belastung wandelt dieser Anteil in harten Martensit um. Die mechanische Belastung erfolgt im Projekt durch die Oberflächenbearbeitungsverfahren maschinelles Oberflächenhämmern und Festwalzen.

Beide Verfahren ermöglichen gleichzeitig die Einglättung der Oberfläche auf Polierqualität.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden zunächst wesentliche Wärmebehandlungsparameter bezüglich der Gefügestruktur des ADI ermittelt. Die Untersuchungen zeigen, dass der Anteil metastabilen Austenits maßgeblich von der Austenitisierungs- und Ausferritisierungstemperatur abhängig ist. Für ein stabiles Gefüge sind zudem spezifische Haltezeiten einzuhalten. Versuche zum Einfluss der Gefügestruktur auf das Bearbeitungsergebnis durch das maschinelle Oberflächenhämmern und Festwalzen zeigen, dass ein Anteil von 52 % an metastabilem Austenit bei 2,04 gew.% Kohlenstoff zu hohen Oberflächenhärten bei gleichzeitig geringen Rauigkeiten führt.

Auch die ADI-Wärmebehandlung führt zu Verzug der Bauteile. Da der Härteprozess jedoch vor der finalen Oberflächenbearbeitung stattfindet, können Formabweichungen durch einen nachgelagerten Fräsprozess behoben werden. Da das Fräsen eine mechanische Belastung des Werkstoffs darstellt, wurde der Einfluss verschiedener Fräsparameter auf die Gefügestruktur untersucht. Es zeigte sich, dass bereits beim Fräsen metastabiler Austenit in harten Martensit umwandelt. Der Anteil an umgewandelten, metastabilen Austenit ist dabei maßgeblich vom Anstellwinkel des Fräskopfs abhängig. Unter einem Anstellwinkel von 0 ° wandelt dabei mehr metastabiler Austenit um, als bei einem Anstellwinkel von 7,5 °. Die übrigen Fräsparameter wie Vorschubgeschwindigkeit und Zustellung beeinflussen das Gefüge nur geringfügig.

Bezüglich des Einglättungsverhaltens und der Härtesteigerung der Bauteile erwies sich ein hoher Energieeintrag als geeignet. Beim maschinellen Oberflächenhämmern wird dies durch die Kombination eines kleinen Hammerkopfdurchmesser, eines großen Hubs und eines geringen Abdruck- und Zeilenabstands erreicht. Für einen hohen Energieeintrag beim Festwalzen sind ebenfalls ein geringer Zeilenabstand sowie ein hoher Walzdruck zu wählen. Im Gegensatz zum EN-JS2070 im Ausgangszustand, weist der ADI keine Oberflächenzerrüttung bei hohen mechanischen Belastungen auf. Oberflächenrauigkeiten von Ra < 0,1 µm sind erreichbar. Die mittels Festwalzen bearbeiteten Oberflächen weisen dabei geringfügig kleinere Rauhigkeitskennwerte auf.

Gegenüber dem EN-JS2070 im Ausgangszustand weist der ADI bei Verschleißversuchen (Zylinder-Ebenen-Streifenziehversuch) ein stark adhäsives Verhalten auf. Während der EN-JS2070 vornehmlich abrasiv verschleißt, sind beim ADI keine abrasiven Verschleißspuren festzustellen. Der Wechsel des Verschleißmechanismus wird durch die, gegenüber dem EN-JS2070, unterschiedliche Gefügestruktur des ADI begründet. Durch eine, mittels maschinellem Oberflächenhämmern, eingebrachte Mikrostruktur wird der adhäsive Verschleiß beim ADI nahezu vollständig unterdrückt. In diesem Fall sind Verschleißkennwerte wie an lasergehärteten und polierten Proben, bei verkürzter Prozesskette, erreichbar.

Versuche zum Nitrieren der ADI-Oberflächen waren nicht zielführend, da der metastabile Austenit bereits bei der Wärmebehandlung vollständig in harten Martensit umwandelt. Die Vorteile einer randschichtnahen Härtesteigerung bei duktilem Kern, können entsprechend nicht mehr genutzt werden.

Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass der EN-JS2070 durch eine gezielte Wärmebehandlung und eine angepasste Bearbeitungsstrategie an die Anforderungen für das Tiefziehen höherfester Bleche weiterqualifiziert werden konnte.
Das Ziel des Projektes wurde somit erreicht.

Das IGF-Vorhaben „Festklopfen und Festwalzen von austenitisch-ferritschem Gusseisen (ADI)" wurde unter der Fördernummer AiF 16704N von der Forschungsvereinigung EFB e.V. finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 443 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

Summary

In the automotive sector, body parts are made of high strength steels in order to save weight. Therefore, tool makers have to attune deep drawing tools to the resulting higher loads. Surface hardening (e.g. laser hardening) is one approach to adapt tools to these stresses. However, thermal hardening processes lead to distortion. In addition, the required production facilities are cost-intensive and require specific technology knowledge. For small- and medium sized enterprises, these conditions constitute economic obstacles.

Therefore, it was the aim of this research project to qualify the commonly used grey cast iron EN-JS2070 for deep drawing of high strength steels without an additional hardening process. For this purpose, the material is submitted to a two stage heat treatment, with the objective of receiving a so-called austempered ductile iron (ADI) microstructure. By subjecting the specific amount of metastable austenite to a mechanical load, it transforms into a hard martensitic microstructure. Within this study , the mechanical load is provided by the surface treatment processes machine hammer peening and deep rolling. Furthermore, both processes enable a polished surface smoothing.

Within the project, initially the influence of significant heat treatment parameters on to the microstructure is determined. The performed investigations show, that the amount of metastable austenite is primarily depending on the austenitizing- and the austempering temperature. Additionally, a specific holding period is crucial for a microstructure that does not transform in to martensite without any mechanical load.
Furthermore, it is determined that an amount of 52 % metastable austenite and a carbon content of 2,04 % by weight leads to the best ratio of high surface hardness values and smoothed surface due to mechanical surface treatment.

The ADI heat treatment also leads to thermal distortion, therefore a downstream milling process is necessary. Since the milling process also represent a mechanical load, the influence of characteristic milling parameters on to the behavior of the microstructure is investigated. It is shown, that a specific percentage of the metastable austenite transforms into hard martensite during the milling operation. The amount of martensite especially depends on the work angle of the milling head. A work angle of 0 ° leads to a higher amount of martensite than an angle of 7,5 °. Other parameters like the feed speed affect the amount of martensite only slightly.

Regarding the surface smoothing and the increase in hardness, a high energy input is convenient. In case of the machine hammer peening, a high energy input is provided by a small hammer head diameter, a high stroke, a small distance of indentations and a small stepover distance. A high energy input by deep rolling is also provided by a small stepover distance and by a high rolling pressure. In contrast to EN-JS2070 in initial state, no surface breakdown is determined on the ADI. Finish roughness values (Ra) smaller than 0,1 µm can be achieved. By deep rolling, slightly smoother surfaces with higher hardness values can be obtained.

While EN-JS2070 mainly wears abrasively in cylindrical-plane strip drawing tests, ADI wears primarily adhesively. The change of the wear mechanism is explained by the different microstructure of both materials. Lubricant pockets, applied by machine hammer peening, avoid the adhesive wear of ADI entirely. For these surfaces, wear values comparable to laser hardened and polished surfaces are attainable.

An additional surface hardening by nitrifying is not expedient, since the entire metastable austenite already transforms into hard martensite during the nitrating process. Therefore, the advantages of a hard surface in combination with a ductile core would not be obtainable.

The conducted investigations show that the EN-JS2070 can be adapted to the requirements of high strength steels in deep drawing processes by a specific heat treatment as well as by a specific machining strategy. Therefore, the aim of the project was achieved.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
Abkürzungsverzeichnis
Formelzeichen
1 Ausgangssituation
2 Stand der Technik
2.1 Prozesskette im Werkzeugbau
2.2 Tiefziehen und Tiefziehwerkzeug
2.3 Maschinelles Oberflächenhämmern und Festwalzen
2.4 Numerische Simulation des MOH und Festwalzens
2.5 Austenitisch-Ferritisches Gusseisen
3 Forschungsziel des Projektes
4 Vorgehensweise
4.1 System zum maschinellen Oberflächenhämmern
4.2 System zum Festwalzen
4.3 3-Achs-Bearbeitungszentrum
4.4 Streifenziehanlage für Verschleißversuche
4.5 Konfokales Weißlichtmikroskop
4.6 Bestimmung der Oberflächenrauheit
4.7 Bestimmung der Oberflächenhärte nach Brinell
4.8 Bestimmung des Anteils an metastabilem Austenit und dessen C-Gehalt
4.8.1 Bestimmung des Kohlenstoffgehaltes
4.8.2 Bestimmung des Anteils an metastabilem Austenit
5 Benutzte Werkstoffe
5.1 Werkzeugwerkstoffe
5.2 Blechwerkstoff
6 Entwicklung der ADI-Wärmebehandlung und mechanischen Bearbeitung
6.1 Entwicklung der Wärmebehandlung
6.1.1 Versuchsmatrix
6.1.2 Ergebnisse
6.1.3 Weitere Optimierung der Wärmebehandlung
6.1.4 Herleitung empirischer Gleichungen für die ADI Wärmebehandlung
6.1.5 Vorversuche zur Ableitung des optimalen ADI-Gefüges
6.2 Fräsen des ADI
6.2.1 Versuchsmatrix
6.2.2 Ergebnisse
6.3 Maschinelles Oberflächenhämmern des ADI
6.3.1 Versuchsmatrix
6.3.2 Ergebnisse Oberflächeneinglättung
6.3.3 Ergebnisse Oberflächenhärte
7 Numerische Analyse der Bahnstrategien
7.1 Modellaufbau
7.2 Auswertung Festwalzsimulation
7.3 Auswertung MOH-Simulation
8 Experimentelle Analyse des Verschleißverhaltens
8.1 Versuchsmatrix
8.2 Ergebnisse
8.2.1 Gegenüberstellung EN-JS2070 und ADI – gehämmert
8.2.2 Gegenüberstellung EN-JS2070 und ADI – gewalzt
8.2.3 Ergebnisse Mikrostrukturierung
8.2.4 Vergleich Referenz – mikrostrukturierte ADI-Probe
8.3 Zusammenfassung
9 Nitrieren von ADI
9.1 Versuchsmatrix
9.2 Ergebnisse Nitrierversuche
9.2.1 Nitrieren von EN-JS2070 im Grundzustand
9.2.2 Nitrieren von ADI
10 Absicherung der Prozesskette unter Realbedingungen
11 Einbau der ADI Wärmbehandlung in den Gießprozess
12 Ableitung von Handlungsrichtlinien
13 Darstellung des Nutzens für KMU sowie ihrer industriellen Anwendungsmöglichkeiten
14 Literaturverzeichnis

 

 

 


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