Einfluss prozessbedingter Schneidspaltveränderungen auf den Werkzeugverschleiß
Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Volk, Dipl.-Ing. Thomas Kopp, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der Technischen Universität München
114 Seiten - 65,00 EUR (sw, 79 teils farbige Abb., 12 Tab.)
ISBN 978-3-86776-465-0
Zusammenfassung
Ziel des Forschungsvorhabens war die Erarbeitung eines Qualitätskriteriums für Beschneidewerkzeuge in Abhängigkeit der Werkzeugsteifigkeit. Derzeit ist es nicht möglich, während der Konstruktions- bzw. Einarbeitungsphase des Scherschneidwerkzeugs eine Aussage über das Verschleißverhalten bzw. die Bauteilqualität bei hohen Stückzahlen zu treffen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zunächst ein Werkzeug mit kritischer Standmenge und ein verschleißunkritisches Werkzeug analysiert, und deren Steifigkeit in Normalen- und Querrichtung ermittelt. In der nächsten Projektphase wurde ein bestehendes Versuchswerkzeug dahingehend modifiziert, dass gezielt die Steifigkeit variiert werden konnte. Dies wurde über ein federnd gelagertes Obermesser mittels massiver Federelemente realisiert.
Zur Überwachung des Werkzeugverhaltens wurde Kraft- und Wegsensorik in das Werkzeug integriert. Zur getrennten Messung der Schneid- und Querkraft wurden in Normalen- und Querrichtung jeweils zwei parallele Piezo-Kraftsensoren verwendet. Über insgesamt sechs integrierte, hochauflösende Wirbelstromsensoren konnten sämtliche Translations- und Rotationsbewegungen des Obermessers im Raum messtechnisch erfasst werden. Einzig die Translation senkrecht zur Blechvorschubrichtung wurde aufgrund der Symmetrie des Schneidvorgangs nicht gemessen.
Im Rahmen von Einzelhubversuchen mit dem Blechwerkstoff S355MC (s = 4,0 mm) wurde der Einfluss der Prozessparameter Werkzeugsteifigkeit, Schneidkantenradius und Schneidspalt auf die Prozesskräfte und resultierenden Verlagerungen untersucht. Mit geringerer Werkzeugsteifigkeit konnte eine Abnahme der maximalen Schneid- und Querkraft gemessen werden. Des Weiteren erhöhte ein größerer Schneidkantenradius massiv die Querkräfte und resultierenden Schneidspaltveränderungen. Bei sehr kleinem Schneidspalt von 2,5 % der Blechdicke nimmt die maximale Schneidkraft zu, die maximale Querkraft hingegen ab. Die geringere Querkraft ergibt sich aus dem Werkstofffluss in den Schneidspalt und der daraus resultierenden Reibkraft am Obermesser.
Ein wesentliches Augenmerk im Rahmen des Forschungsvorhabens lag auf den Dauerhubversuchen mit Auswertung der Prozesskräfte und resultierenden Verlagerungen, des Aktivelementverschleißes sowie der Bauteilqualität. Es wurden zwei Blechwerkstoffe mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften bei jeweils 700 kN/mm und 1300 kN/mm Werkzeugquersteifigkeit geschnitten. Dies waren der spröde Martensitphasenstahl Docol1200M (Rm = 1201 MPa; s = 2,0 mm) sowie der etwas duktilere bainitische Stahl SZBS800 (Rm = 751 MPa; s = 2,0 mm).
Es konnten mit zunehmender Anzahl geschnittener Teile größere maximale Querkräfte und Schneidspaltaufweitungen gemessen werden. Bei 700 kN/mm Quersteifigkeit erreichten die Schneidspaltaufweitungen beim Scherschneiden von Docol1200M Werte von über 22 % des Schneidspaltes.
Trotz nur äußerst geringer Unterschiede im Werkzeugverschleißverhalten in Abhängigkeit der Werkzeugquersteifigkeit, konnten bei beiden Werkstoffen mit zunehmender Teileanzahl massive Unterschiede in der Bauteilqualität festgestellt werden. Beim Werkstoff SZBS800 war es beispielsweise möglich in der Werkzeugkonfiguration mit 1300 kN/mm Quersteifigkeit bis zum Erreichen einer kritischen Grathöhe doppelt so viele Teile zu schneiden als bei der Versuchsreihe mit verringerter Werkzeugquersteifigkeit. Im Neuzustand der Werkzeugaktivelemente hingegen konnte kein Unterschied in der Bauteilqualität festgestellt werden.
Um dem Werkzeugkonstrukteur bzw. Werkzeugbauer eine Möglichkeit zu geben, die Güte des Werkzeugs bereits bei der Abnahme bzw. Einarbeit zu bewerten, wurde als Kennwert die Grathöhe herangezogen und über die erreichbare Teileanzahl aufgetragen. Mit dem sich hieraus ergebenden Kennlinienfeld besteht nun die Möglichkeit, die erzielbare Teileanzahl bis zum Erreichen einer kritischen Grathöhe zu ermitteln.
Das Forschungsziel wurde erreicht.
Das IGF-Vorhaben „Einfluss prozessbedingter Schneidspaltveränderungen auf den Werkzeugverschleiß" wurde unter der Fördernummer AiF 16995N von der Forschungsvereinigung EFB e.V. finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 419 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.
Abstract
This research project focused on developing a quality criterion for blanking tools depending on the tool's stiffness. Up to date, there is no possibility to benchmark the quality of a blanking tool during the construction or acceptance phase.
In order to reach this objective, the tool stiffness of two blanking tools was determined. Although the tools had the same cutting conditions, their life clearly differed. Next, an existing blanking tool was modified in order to integrate a defined adjustable stiffness. This was realized by using solid springs behind the upper die. Additionally, force and displacement measuring equipment was integrated to the experimental tool.
In order to measure the process forces in normal and lateral ram movement direction separately, two piezo-electric load cells were integrated in every direction and multiaxially calibrated. Furthermore, six high-precision eddy current displacement sensors were used for measuring every rotary and translatory motion of the upper die with the exception of the y translation (parallel to the cutting line), due to the symmetrical blanking process.
Afterwards, single stroke experiments were conducted with the steel grade S355MC (s = 4,0 mm). During the experiments, the process parameters tool stiffness, edge radii at the upper die, and cutting clearance were varied and the effects on the process forces and the resulting displacements of the punch were examined. One example in this context is a rising lateral force with an increasing edge-radius of the upper die. By using a small cutting clearance of 2,5 %, the maximum lateral force is smaller (compared to 10 %) due to the material flow into the die clearance. This results in a frictional force at the punch, which relieves the lateral load sensors.
The main part of this research project were continuous stroke experiments with the steel grades SZBS800 (s = 2,0 mm) and Docol1200M (s = 2,0 mm) with a lateral tool stiffness of 700 kN/mm and 1300 kN/mm. The effect of tool wear on the process forces, the resulting displacements of the upper die, and the sheared edge quality was examined.
It was found, that with increasing tool wear, the maximum lateral force and the initial cutting clearance rose. Using a tool setup with a lateral stiffness of 700 kN/mm for cutting Docol1200M the die clearance increased more than 22 % during the process. Furthermore, an effect of the tool's stiffness on the sheared edge quality was observed. By using the tool configuration with a lateral stiffness of 1300 kN/mm it was possible to produce nearly twice the number of parts before reaching a critical burr height. However, at the beginning of the experiments, no differences in the sheared edge quality could be observed when varying the lateral tool stiffness.
In order to benchmark the quality of a blanking tool during its construction or acceptance phase, the burr height is used as a characteristic value and a diagram was developed. With this diagram, it is possible to determine the number of parts until reaching a critical burr height as a function of the lateral tool stiffness.
The project goal has been achieved.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
Abkürzungsverzeichnis
Formelzeichen
1 Einleitung
2 Grundlagen und Stand der Kenntnisse
2.1 Scherschneiden
2.1.1 Einordnung und Verfahrensprinzip
2.1.2 Phasen des Scherschneidvorganges
2.1.3 Schnittflächenkenngrößen
2.1.4 Kräfte und Momente beim Scherschneiden
2.2 Verschleiß beim Scherschneiden
2.2.1 Verschleißmechanismen
2.2.2 Verschleißformen und -messgrößen
2.3 Steifigkeit von Scherschneidwerkzeugen
2.4 Wichtige Einflussfaktoren auf den Scherschneidprozess und das Verschleißverhalten der Werkzeugaktivelemente
3 Forschungsansatz bzw. Zielsetzung und Aufgabenstellung
4 Versuchsanlagen und Messeinrichtungen
4.1 Mechanische Schnellläuferpresse
4.2 Mess- und Prüfeinrichtungen
4.2.1 Zug-Druck-Prüfmaschine
4.2.2 Profilmessplatz
4.2.3 Digitalmikroskop
5 Versuchswerkstoffe
5.1 Blechwerkstoffe
5.2 Aktivelementwerkstoff
6 Versuchsergebnisse
6.1 Schneidspaltuntersuchungen an industriellen Werkzeugen
6.2 Anpassung des Versuchswerkzeugs zur Einstellung definierter Elastizitäten
6.3 Integration von Kraft- und Wegsensorik in das Versuchswerkzeug
6.3.1 Konstruktive Auslegung
6.3.2 Kalibrierung
6.4 Einzelhubversuche
6.4.1 Vorgehensweise bei der Auswertung
6.4.2 Prozesskräfte
6.4.3 Schneidspaltveränderungen
6.4.4 Verlagerungen in z-Richtung
6.5 Dauerhubversuche
6.5.1 Vorgehensweise bei der Auswertung
6.5.2 SZBS800
6.5.3 Docol1200M
6.6 Richtlinien zur Auslegung von Schneidwerkzeugen
7 Ergebnisse und Ausblick
8 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse insbesondere in KMU
8.1 Nutzen der Forschungsergebnisse in KMU
8.2 Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU
8.3 Aussagen zur industriellen Umsetzung der Ergebnisse
9 Schrifttum
9.1 Normen und Richtlinien
9.2 Literatur