Aufsprungprävention bei Strukturbauteilen
Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Volk, Dipl.-Ing. Annika Weinschenk, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der Technischen Universität München
118 Seiten - 66,00 EUR (sw, 80 teils farbige Abb., 11 Tab.)
ISBN 978-3-86776-446-9
Zusammenfassung
Bei einem Bauteil, welches durch einen Tiefziehprozess hergestellt wurde, tritt während der Entnahme aus dem Werkzeug eine Rückfederung auf. Diese entsteht aufgrund des dabei freigesetzten elastischen Anteils des Bauteilwerkstoffs. Die Rückfederung ist ein wichtiger Faktor, der die Qualität der umgeformten Bauteile entscheidend mitbeeinflusst.
Beim Einsatz von hoch- und höchstfesten Stählen ist das prozesssichere Beherrschen der Rückfederung eine besondere Herausforderung, da diese Werkstoffe aufgrund ihrer hohen Dehngrenze zu einer ausgeprägten Rückfederung führen. Hoch- und höchstfeste Werkstoffe werden mit der zunehmenden Bedeutung des Leichtbaus vermehrt eingesetzt. Heutzutage erfolgt die Reduzierung ihrer Rückfederung zur Einhaltung von Form- und Maßgenauigkeiten größtenteils durch Kompensationsstrategien.
Dabei stellt die Blechchargenabhängigkeit der Rückfederung ein noch nicht gelöstes Problem dar. So führen Bauteile aus dem gleichen Werkstoff bei einer Chargenschwankung zu einem anderen Rückfederungsverhalten. Diese Schwankung wird bei den konventionellen Kompensationsstrategien nicht berücksichtigt. Dies resultiert in der Notwendigkeit von iterativen Prozess- und Werkzeugänderungen während des Serienbetriebs, welche mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden sind.
Ein weiterer Nachteil der Kompensationsstrategien besteht darin, dass die Rückfederung eines geraden U-Profils nicht durch einen einstufigen Tiefziehschritt kompensiert werden kann, da keine Hinterschneidungen erzeugt werden können.
Im Forschungsprojekt „Aufsprungprävention bei Strukturbauteilen“ wurde eine Methodik entwickelt, welche eine Berücksichtigung der Rückfederung bereits in einer frühen Entwicklungsphase erlaubt. Durch geometrische Modifikationen am Bauteil wird dessen Spannungszustand so verändert, dass sich gegenüber der Original-Geometrie eine reduzierte Rückfederung einstellt.
Der Einfluss der Blechchargenschwankungen auf die Rückfederung ist nun verringert, da bereits der Absolutbetrag der Rückfederung kleiner ist. Zur geometrischen Modifikation wird der konvexe Stempelradius durch drei tangential ineinander übergehende Bögen ersetzt, von welchen die beiden äußeren konvex sind und der innere Bogen konkav ist. Während die konvexen Bögen das herkömmliche Aufspringen des Bauteils initiieren, ist der konkave Bogen für einen Aufsprung in die entgegengesetzte Richtung verantwortlich. Durch eine geeignete Wahl der Werte für die Radien und Winkel der Bögen ist es möglich, die Rückfederung eines modifizierten Profils gegenüber einem herkömmlichen Profil zu reduzieren. Zur Bestimmung geeigneter Werte wurde eine Methodik entwickelt. Diese besteht aus der Erstellung eines Versuchsplans, der Automatisierung der Simulationsdurchführung und -auswertung sowie der Erstellung eines Metamodells und der Durchführung einer Optimierung.
Der Einsatz kann bereits in einer frühen Entwicklungsphase erfolgen. Somit ist es möglich, bereits zu Beginn die Rückfederung zu berücksichtigen und diese präventiv zu verringern. Dadurch entfallen im späteren Verlauf aufwendige iterative Maßnahmen.
Diese Methodik wird beispielhaft auf ein gerades U-Profil, ein gekrümmtes U-Profil und ein S-Rail angewendet. Dabei wird gezeigt, dass die Rückfederung der Profile durch den Einsatz der modifizierten Schultergeometrie deutlich reduziert werden kann. Ebenso wird der Einfluss der Chargenschwankungen auf die Rückfederung reduziert.
Das Forschungsziel wurde erreicht.
Das IGF-Vorhaben „Aufsprungprävention bei Strukturbauteilen“ wurde unter der Fördernummer AiF 16512N von der Forschungsvereinigung EFB e.V. finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 402 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.
Schlagwörter
Rückfederung, Simulation, Prävention, FE-Analyse, Metamodell, U-Profil
Summary
In the deep drawing process elastic deformation is stored in the blank. When opening the forming tool, it is released and deformation occurs. Springback appears as a difference between the component geometry before and after relaxing. High strength steel causes a higher amount of springback compared to mild steel because springback increased with the increase in yield strength. The importance of lightweight construction has resulted in an increasing use of high strength steels and super high strength steels because of their low weight compared to their strength. To compensate for the springback phenomenon, various possibilities exist that can be divided into changes in geometry and changes in the process parameters. Yet preciously developed methods of springback compensation have disadvantages. These methods only take the material parameters of one sheet metal batch into account. With varying material properties, problems arise because the tool is especially designed for one sheet metal batch. This results in the necessity of iterative changes of the process and the geometry of the tools during serial operation. Because of this it is necessary to invest plenty of time and financial effort. Another disadvantage of the methods of compensation is that although this procedure can be used for different structural components it cannot be applied to a u-shaped profile. Undercuts would be necessary but cannot be created in the first draw. Further operations would be required, which would lead to additional process time and costs.
In the research project “prevention of springback of structural components” a method was developed which allows the consideration of springback in an early phase of development. The objective of this work is not to compensate springback but to reduce it by a preventive measure which allows the production of a u-shaped profile by one deep drawing step. Through geometrical modifications of the structural components its state of stress is changed in a way which results in a reduction of springback compared with the original geometry of the structural component. The influence of the sheet metal batches on springback is reduced because the amount of springback is already smaller. In the conventional u-shaped profile one punch radius leads to springback of the sidewall in one particular direction which points outward.
This effect is utilized by replacing one radius by three radii. The modified geometry consists of three arcs which are defined by their radii and their related angles. The conventional springback is caused by two convex radii. By adding the third radius in the middle of the other two it is possible to compensate springback because the third radius leads to springback in the opposite direction. The amount of springback of the structural component depends on the values of the radii and angles. To find suitable values for these parameters an optimization has to be performed. Therefore a parameterization of the design and an automation both of the execution and the consistent evaluation of the simulation are of great importance.
By way of example the method is applied to a straight u-shaped profile, a curved u-shaped profile and a complex geometry. This study demonstrates that springback can be reduced significantly by modifying the punch of a deep drawing tool. The influence of the yield strength on springback could also be decreased by geometrical modification. The comparison between springback caused by a conventional geometry of the punch radii and springback caused by the improved geometry clearly shows the advantage of the measure. This approach can be transferred to other structural components.
The project goal has been achieved.
Keywords
Springback, Simulation, Prevention, FE-Analysis, metamodel, u-shaped profile
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Summary
Verzeichnis der Kurzzeichen
Verzeichnis der Abkürzungen
1. Einleitung
2. Grundlagen und Stand der Forschung und Technik
2.1 Tiefziehen
2.1.1 Einordnung und Definition
2.1.2 Spannungen und Kräfte beim Tiefziehen
2.2 Rückfederung
2.2.1 Einordnung in die Qualitätsfehler beim Tiefziehen
2.2.2 Entstehung der Rückfederung
2.2.3 Einflüsse auf die Rückfederung
2.2.4 Maßnahmen zur Reduzierung der Rückfederung
3. Motivation und Zielsetzung
4. Vorgehensweise und Überblick über die Arbeitspakete
5. Untersuchte Werkstoffe und Versuchsgeometrien
5.1 Versuchswerkstoffe
5.2 Versuchsgeometrien
6. Vorbereitungen zur Erarbeitung und Bewertung der Präventionsmaßnahmen
6.1 Simulationssoftware
6.2 Zielgrößen zur Beschreibung der Rückfederung
6.3 Kompensation der Rückfederung
7. Einfluss verschiedener Parameter auf die Rückfederung
7.1 Numerische Parameter
7.2 Prozessparameter
7.3 Geometrische Parameter
7.3.1 Matrizeneinlaufradius
7.3.2 Stempelbreite
7.3.3 Stempelradius
7.3.4 Ziehspalt
7.3.5 Ziehtiefe
7.4 Modifizierte Schultergeometrie
8. Optimierung der Versteifungsmaßnahmen
8.1 Entwickelte Methodik zur effizienten Reduzierung der Rückfederung
8.1.1 Versuchsplanung
8.1.2 Simulation und Postprocessing
8.1.3 Modellbildung und Optimierung
8.2 Anwendung der entwickelten Methodik auf Standardbauteile
8.2.1 Gerades U-Profil
8.2.2 Gekrümmtes U-Profil
9. Anwendung der Erkenntnisse auf das industrielle Umfeld
10. Zusammenfassung und Ausblick
11. Bedeutung des Forschungsthemas für KMU
11.1 Nutzung der Forschungsergebnisse in KMU
11.2 Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU
11.3 Aussagen zur industriellen Umsetzung der Ergebnisse
12. Tabellenverzeichnis
13 Abbildungsverzeichnis
14. Literaturverzeichnis