EFB-Forschungsbericht Nr. 124

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Einfluss von Ringzackengestaltung, Schneidkantengeometrie und Prozesskräften auf das Feinschneiden

Verfasser:
Hartmut Hoffmann, Martin Kasparbauer, Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen, Technischen Universität München -
Wolfgang Voelkner, Fred Jesche, Lehrstuhl für Urform- und Umformtechnik, Technischen Universität Dresden

ISBN 978-3-86776-256-4 - 184 Seiten, 110 teilw. farbige Abb., 119,80 €


Zusammenfassung

EFB/AiF-Forschungsvorhaben 10884 B

In der Literatur werden bisher die Grundmerkmale des Feinschneidens gut beschrieben. Allerdings wurden bisher nur wenige punktuelle Untersuchungen durchgeführt, die beispielsweise eine exakte Systematik und gezielte Variation von Ringzackengestaltung und -anordnung sowie Schneidkantengeometrie vermissen lassen. Dabei gibt die Ringzackenanordnung an, ob sich eine Ringzacke auf der Matrize, der Führungsplatte oder auf beiden Aktivelementen befindet oder gar keine Ringzacke vorhanden ist. Insbesondere wurden noch keine Ergebnisse veröffentlicht, die Aussagen zur Konstruktion und Auslegung der Feinschneidwerkzeuge in Abhängigkeit von der Werkstückgeometrie zulassen.

Die Untersuchung in vorliegendem Bericht sollen dazu beitragen, eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens Feinschneiden im wesentlichen dadurch zu erzielen, dass die Prozesssicherheit und die Werkstückqualität erhöht wird. Die Richtlinien sollen den Werkzeugkonstrukteuren in kleinen und mittelständischen Unternehmen konkrete Anweisungen geben, wie sie schnell zu einem Werkzeugkonzept kommen. Dabei sollen sie ihre Überlegungen nicht mehr auf Vermutungen stützen müssen. So kann verhindert werden, dass mehrmals Veränderungen am Werkzeug vorgenommen werden müssen, wenn dieses nicht die gewünschte Werkstückqualität erzeugt. Auch ein Versagen des Werkzeugs durch Bruch soll dadurch vermieden werden. Die daraus resultierenden Zeiteinsparungen sollen helfen, den Konstruktionsprozess erheblich zu verkürzen, um damit die Wirtschaftlichkeit des Feinschneidverfahrens zu verbessern.

Auch Stanzereien haben wesentliche Vorteile von Richtlinien, die ihnen angeben, wie sie ihre Pressen einstellen bzw. die Werkzeuge gestaltet sollen, um die bestmögliche Werkstückqualität bei optimaler Prozessführung zu erzielen. Dadurch entfallen die oft lange andauernden Presseneinstellungen bzw. Anpassungsarbeiten an den Werkzeugen, die notwendig sind, bis die Werkstücke die geforderte Qualität aufweisen. Die Wirtschaftlichkeit steigt auch hier durch Zeit- und Materialeinsparungen.

Die Ergebnisse aus den experimentellen Untersuchungen und der FEM-Analyse dieses Berichts lassen sich schwerpunktmäßig den Bereichen Einstellung der Presse sowie Auslegung der Werkzeuge zuordnen. Ausgehend von der Werkstückgeometrie, dem Werkstoff und der Teiledicke, sollen neue Ergebnisse für das Feinschneiden und ein kurzer Ausblick gegeben werden.

Zunächst wird auf die Presseneinstellung eingegangen werden, insbesondere auf die Ringzackenkraft und die Gegenhalterkraft. Die Untersuchungen ergeben, dass die Ringzackenkräfte je nach Werkstoff bis zu drei mal höher liegen müssen, als nach der gängigen Formel im heutigen Stand der Technik vorgegeben, um die Ringzacke vollständig in den Werkstoff einzudrücken. Die Gegenhalterkraft reicht aus, wenn sie auf die Hälfte der Ringzackenkraft eingestellt wird und den Grenzwert der noch sinnvollen spezifischen Gegenkraft von etwa 70N/mm2 nicht weit überschreitet.

Bei der Auslegung der Werkzeuge spielt der Fließscherfaktor ein wichtige Rolle. Aus den Untersuchungen kann geschlossen werden, dass der Fließscherfaktor beim Schneiden von runden Werkstücken, wie im Stand der Technik angegeben, einen Wert von 1,0 erreicht. Die untersuchten Verhältnisse von Blechdicke zu Durchmesser lagen dabei zwischen 0,04 und 0,25. Das Schneiden komplizierterer Teilegeometrien erfordert jedoch erheblich mehr Kraft. Für die hier verwendete eckige Geometrie ergibt sich beispielsweise ein Fließscherfaktor von 1,4. Die experimentellen Untersuchungen belegen, dass Mikrolegierte Feinkornbaustähle einen um etwa 10% geringeren Fließscherfaktor als die untersuchten Vergütungs- und Einsatzstähle aufweisen, da die mikrolegierten Stähle beim Schneiden nicht so stark verfestigen.

Die anderen bei den Untersuchungen beobachteten Veränderungen des Fliess-Scherfaktors durch Ringzackenkraft, Gegenhalterkraft, Schnittgeschwindigkeit, Blechdicke, Verfahrensart Ausschneiden oder Lochen sowie die Ringzackenanordnung liegen im Bereich der Messgenauigkeit und sind damit vernachlässigbar - vorausgesetzt, die Ringzacken- und Gegenhalterkräfte sind so hoch gewählt, dass die Ringzacke vollständig eingedrückt ist und der Gegenhalter das Werkstück plan hält. Die Untersuchungen ohne Ringzacke zeigten bei den vorliegenden Werkstoffen, Blechdicken und Teilegeometrien, dass auf die Ringzacke beim Feinschneiden nicht verzichtet werden, da sonst die Schnittfläche Einrisse aufweist.

Für die Praxis kann also aus den experimentellen Untersuchungen geschlossen werden, dass bei der Berechnung der Schneidkraft beim Feinschneiden zur Auslegung von Werkzeugen und Pressen für einfache Geometrien mit einem Fließscherfaktor von 1,0 und für komplizierte Geometrien mit mindestens 1,4 gerechnet werden muss. Dies gilt für Einsatz- und Vergütungsstählel beim Schneiden von Mikrolegierten Feinkornbaustählen kann der Fließscherfaktor um etwa 10% niedriger angesetzt werden. Maschineneinstellparameter und Ringzackenanordnung haben keinen Einfluss auf die Schneidkraft, solange die Werkstücke glattgeschnitten und plan sind: Verschlechtert sich die Teilequalität, z. B. durch Einrisse, Abrisse oder eine Unebenheit der Werkstücke, so ist wie beim Normalschneiden mit niedrigeren Fließscherfaktor zu rechnen. Die in diesem Bericht durchgeführten Untersuchungen leisten einen großen Beitrag dazu, das Feinschneiden einer wirtschaftlicheren Anwendung zuzuführen, indem Richtlinien zur feinschneidgerechten Anwendung des Verfahrens über den heutigen Stand der Technik hinaus gegeben werden.

Die durchgeführten Simulationen des Feinschneidvorganges mit der FEM haben bestätigt, dass der Spannungszustand beim Feinschneiden durch die Werkzeuggestaltung nachhaltig beeinflusst werden kann. Der Schneidspaltgröße, der Form der Schneidkante und der Ringzacke kommen dabei offensichtlich die größte Bedeutung zu. Die Simulationsergebnisse erklären verschiedene Phänomene des Feinschneidvorganges, bzw. Erkenntnisse aus dem Feinschneidvorgang bestätigen die Resultate der Simulation. Durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Modelle des Feinschneidens wurde der Einfluss von Verfahrensparametern auf den Spannungszustand dargestellt und diskutiert. So wurden die prinzipiellen Spannungsverhältnisse beim Feinschneiden analysiert und verschiedene Varianten von Schneidkantenformen und Ringzackenvarianten untersucht. Es wurden Hinweise für eine verbesserte Werkzeuggestaltung gegeben.

Mit einer Schrägstellung der Ringzacke kann zum Beispiel der Spannungszustand an der Schneidkante des Stempels oder der Matrize gezielt beeinflusst werden. Die beste Wirkung erreicht eine Ringzacke, wenn sie auf der Matrize, also gegenüber dem Schneidstempel angeordnet ist. Zacken mit einer größeren Breite oder größeren Höhe wirken günstig auf den Spannungszustand in der Schneidzone. Die Vergrößerung des zu verdrängenden Werkstoffvolumens lässt hier jedoch die erforderlichen Ringzackenkräfte stark ansteigen.

Die Form der Schneidkanten hat trotz ihrer geringen geometrischen Größe einen enormen Einfluss auf den Spannungszustand in ihrer Umgebung. Steilere Fasenwinkel der üblicherweise gebrochenen Schneidkante an der Matrize reduzieren die Zugspannungen im Bereich der Schneidkante. Eine Doppelfase kann Gebiete mit Zugspannungen an der Schneidkante vollständig zurückdrängen.

In dem Forschungsvorhaben wurde das Schneiden relativ einfacher Werkstückformen simuliert. Die Untersuchungen haben ergeben, dass auch die Schnittlinienform den Spannungszustand beeinflusst. Insbesondere die Gestalt von Schnittlinien mit kleinen Radien hat Einfluss auf die Qualität des Schnittes. Die Untersuchung dieser Erscheinung kann die Entwicklung von Werkzeugen für das Feinschneiden komplexer, hochgenauer und fehlerfreier Werkstücke weiter vorantreiben bzw. erst ermöglichen.

In weiteren Forschungsvorhaben wäre es sinnvoll, die hier gewonnenen Erkenntnisse zum Feinschneiden von Stählen auf Aluminiumlegierungen aus Grobblech zu übertragen, um den Forderungen der Industrie nach Leichtbau nachzukommen. Hierbei wäre interessant, verschiedene Aluminiumlegierungen in unterschiedlichen Wärmebehandlungszuständen hinsichtlich ihrer Eignung zum Feinschneiden zu prüfen sowie werkzeug- und anlagenseitige Prozesskenngrößen zur Herstellung von Aluminiumbauteilen zu erarbeiten. Unter Verwendung der in diesem Bericht gewonnenen Erkenntnisse könnten Eigenschafts- und Verwendungsprofile von Feinschnitt-Teilen aus Aluminiumlegierungen im Vergleich zu Bauteilen aus Stahl erarbeitet werden.

 


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