EFB-Forschungsbericht Nr. 106

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Rechnergestützte Zuschnittsermittlung zur Werkstoffflusssteuerung im Tiefziehprozess

Verfasser:
Eckart Doege, Holger Hütte, Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen, Universität Hannover

ISBN 978-3-86776-238-0 - 76 Seiten, 34,20 €


Zusammenfassung

EFB/AiF-Forschungsvorhaben 10452 N

Um wirtschaftlich und konkurrenzfähig fertigen zu können, müssen Optimierungsspielräume in der Blechumformung noch konsequenter ausgenutzt werden. Eine Möglichkeit bietet die rechnergestützte Vorausbestimmung des Platinenzuschnitts. Da Berechnungsverfahren nur für ein eingeschränktes Teilespektrum vorhanden sind, basiert die Auslegung für komplexe Ziehteile weitgehend auf Erfahrungen des Konstrukteurs. Eine rechnergestützte Zuschnittsermittlung konnte in der Praxis bisher nicht durchgeführt werden, da entsprechende Berechnungsprogramme nicht verfügbar waren. Die Optimierung konnte daher erst in der Erprobungsphase eines Ziehwerkzeugs (Try-out) erfolgen.

Während des Forschungsvorhabens wurde ein elementarer Ansatz zur Berechnung von im Umformprozess auftretenden Radiallängungen entwickelt. Das Radialschnittverfahren nach Oehler/Kaiser konnte somit sinnvoll erweitert und dem industriellen Bereich eine praktische Nutzung dieses Verfahrens ermöglicht werden. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in ein Berechnungsprogramm mit CAD-Anbindung implementiert und ermöglichen durch die Kombination von Formelementen die interaktive Auslegung von Platinengeometrien für Ziehteile mit einer geschlossenen Zargenkontur, ebenen bzw. unebenen Bodenflächen und einer geschlossenen äußeren Randkontur.

Bei den zur Aufstellung des Berechnungsansatzes erforderlichen experimentellen Untersuchungen wurden sowohl Geometrieparameter variiert (Eckenradius, -winkel, Ziehtiefe, Zieh-, Stempelkantenradius, Boden- sowie Platinenform und -größe), als auch verschiedene Blechwerkstoffe (DC04, H340, AiMg5Mn, X5CrNi18-10) berücksichtigt. Die bei rechteckigen Ziehteilen gemessenen Radiailinienlängungen wiesen bei allen Werkstoffen, insbesondere in Bereichen mit hohen Formänderungen, eine hohe Übereinstimmung untereinander auf.

Dies lässt den Schluss zu, dass Radiallinienlängungen vorwiegend geometriebedingt variieren. Bei rechteckigen Ziehteilen konnten abhängig vom Werkstoff deutliche Unterschiede der Blechdickenverläufe vom Flansch bis zur Stempelkante festgestellt werden. Die Aluminiumbleche wiesen im Stempelkantenbereich starke Blechdickenabnahmen und im oberen Zargen- sowie im Flanschbereich starke Blechdickenzunahmen auf. Grundsätzlich lagen die Blechdickenänderungen bei den Aluminiumblechen oberhalb derer von höherfesten Werkstoffen, wie beispielsweise H340. Eine Korrelation zu diesem Verhalten konnte zum einen in der senkrechten Anisotropie r und zum anderen im Verfestigungsexponenten n wieder gefunden werden, beim n-Wert allerdings in abgeschwächter Form. Mit zunehmendem r-Wert und abnehmendem n-Wert treten geringere Blechdickenänderungen auf.

Bei der Untersuchung trapezförmiger Ziehteilgeometrien mit ebenem Boden zur Ermittlung des Einflusses unterschiedlicher Eckenwinkel auf die Zuschnittskontur führte wie schon bei den rechteckigen Ziehteilen zu dem Ergebnis, dass der eingesetzte Werkstoff weitgehend nicht signifikant für die Radiallängungen ist. Bei einem Eckenwinkel aE = 67° ließ sich für alle untersuchten Werkstoffe Radiallängungen von ca. 90% feststellen. Darüber hinaus ließ sich feststellen, dass radiale Dehnungen um so größer sind, je spitzer die Eckenwinkel, d.h. je kleiner die Winkel aE, ausfallen. Die Übertragung der Geometriedaten wurde durch die Anbindung an das CAD-System Pro/ENGINEER erreicht. Hier erfolgt neben der Festlegung der Stempelbewegungsrichtung, die Definition und interaktive Platzierung der Schnittebenen. Die Radiallinienlängen konnten über die Summe der Abstände von Stützpunkten, die mittels einer vektorbasierten Suchstrahlfunktion gefunden wurden, berechnet werden.

In Ziehteilecken erfolgt die Drehung der Schnittebenen durch Aufspannen eines Fächers von Schnittebenen. Dazu erforderliche Geometrieangaben liefert eine Analysefunktion. Nach der Flächenberechnung zwischen den Radiallinien und der Radiallinienkürzung erfolgt die Glättung der Zuschnittskontur über parametrisierte Ansatzgleichungen. Zur Ergebnisausgabe stehen dem Anwender neben der Bildschirmausgabe, Textdateien zu Verfügung. Ein Export der Zuschnittskontur in andere CAD/CAM-Systeme wird über eine IGES und HPGL-Schnittstelle ermöglicht, Die Konturkoordinaten können so mit CNC-Modulen weiterverarbeitet werden. Auf diese Weise wurde eine direkte Anbindung an die Zuschnittsherstellung realisiert. Die Zuverlässigkeit der im Rahmen des Vorhabens entwickelten Applikation konnte bei der Zuschnittsberechnung eines komplexen Praxisteils nachgewiesen werden.


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