EFB-Forschungsbericht Nr. 484

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Prozessorientierte Werkstoffcharakterisierung für die numerische Auslegung von Blechumformoperationen

efb484Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Marion Merklein, Dipl.-Ing. Matthias Lenzen, Lehrstuhl für Fertigungstechnologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - Prof. Dr.-Ing. Alexander Brosius, Dipl.-Ing. Niklas Küsters, Professur für Formgebende Fertigungsverfahren am Institut für Fertigungstechnik der Technischen Universität Dresden  

102 Seiten - 74,00 EUR (sw, 63 teils farbige Abb., 11 Tab.)
ISBN 978-3-86776-536-7

 

Zusammenfassung

Durch eine numerische Prozessauslegung mithilfe der Finiten-Element-Methode (FEM) können bereits jetzt signifikante Zeit- und Kosteneinsparungen erzielt werden. Einen wichtigen Aspekt bildet hierbei die realitätsnahe Abbildung des Werkstoffverhaltens. Gerade moderne Werkstoffe, die zur Verwirklichung des Leichtbaugedankens Einsatz finden, weisen ein komplexes Werkstoffverhalten bezüglich des anisotropen Fließverhaltens auf. Um dieses Verhalten in der numerischen Simulation berücksichtigen zu können, werden Modelle verwendet, die den eingesetzten Werkstoff möglichst exakt in Bezug auf die Entwicklung der Formänderung und der Fließorte unter mehrachsigen Spannungszuständen abbilden können.

Dazu sind in der Literatur zahlreiche Modelle vorhanden, die je nach Komplexität unterschiedlich viele experimentelle Versuche zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens benötigen. Dieser Versuchsaufwand steht in konträrer Weise zu einer Zeit- und Kostenersparnis. Ziel des Forschungsvorhabens, einer Kooperation des Lehrstuhls für Fertigungstechnologie (LFT) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit der Professur für Formgebende Fertigungsverfahren (FF) der TU Dresden, ist es daher, mit einer prozessorientierten Charakterisierung unter vergleichsweise geringem Aufwand eine Steigerung der Abbildungsgenauigkeit von Simulationen zu erreichen.

Abhängig von den im Bauteil vorherrschenden Spannungszuständen werden erweiterte Informationen aus Standardversuchen extrahiert. Mit Hilfe dieser Versuchsdaten sowie einer neuartigen Methodik zur Parameteridentifikation und einem adaptierten Materialmodell soll eine genaue Beschreibung des anisotropen Fließverhaltens verwirklicht werden.

Zu Beginn des Forschungsvorhabens wird dazu eine Charakterisierung der Werkstoffe AA5182, AA6016, DC06, DX54 und DP600 vorgenommen. Versuche, die dafür eingesetzt werden, sind der uniaxiale Zugversuch, der Scherzugversuch nach ASTM Standard sowie der hydraulische Tiefungsversuch. Mit diesen Werkstoffinformationen wird anschließend eine inverse Methodik entwickelt, die die Bestimmung der Modellparameter für das Fließkriterium Yld2000-2d ermöglicht. Dazu erfolgt prozessabhängig zu den im Umformprozess dominant auftretenden Spannungszuständen eine Berücksichtigung der einzelnen Versuche., Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde zudem ein Materialmodell mit einer umformgradabhängigen Fließfläche entwickelt, das den Verlauf der senkrechten Anisotropie abbilden und somit die Effekte aus der kinematischen Verfestigung und der Distorsionsverfestigung berücksichtigen kann.

Um die inverse Identifikation der Modellparameter sowie den umformgradabhängigen Fließortexponenten auf Anwendbarkeit überprüfen zu können, erfolgen Versuche an einem komplexen Demonstratorbauteil, dem Kreuznapf. Dabei zeigt sich, dass die entwickelte Methodik für die Stahlwerkstoffe, die in Versuchen einen stark umformgradabhängigen Verlauf der Anisotropie aufgewiesen haben, eine Verbesserung der Abbildungsgenauigkeit bewirkt. Hierzu wurden die Größen Blechdickenverteilung und Flanscheinzug zur Bewertung herangezogen.

Die Methodik zeigt in Tiefziehprozessen eine Verbesserung der Abbildungsgenauigkeit hinsichtlich der erreichbaren Ziehtiefe im Vergleich zur konventionellen Anwendung des Fließkriteriums Yld2000-2d. Bei der Übertragung auf einen Prozess mit überwiegend Streckziehanteilen, kann keine deutliche Verbesserung erreicht werden. Dies lässt sich am Beispiel des Serienbauteils Stützträger belegen. Auf Basis der erarbeiteten Erkenntnisse werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die den Einsatzbereich des in diesem Forschungsvorhaben entwickelten Modells definieren.
Das im Rahmen des Projekts gesetzte Forschungsziel wurde somit erreicht.

Das IGF-Vorhaben „Prozessorientierte Werkstoffcharakterisierung für die numerische Auslegung von Blechumformoperationen" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 18143BG über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 484 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

BMWI-DE

Summary

A numerical process design using the finite element method (FEM) can already lead to a significant time and cost reduction. Therefore, an important aspect is the realistic description of the material behavior.

Especially innovative materials, which are used for the realization of lightweight construction concepts, have a complex material behavior. To take this material behavior into account in the numerical simulation, models are used which can accurately describe the used material. In the literature, numerous models are available which, depending on the complexity, require a varying number of experiments to describe the material behavior.

This effort is in contrast with time and cost savings. Aim of the research project, a cooperation between the Chair of Manufacturing Technology (LFT) at the Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg and Chair of Forming and Machining Processes (FF) at the Technische Universität Dresden, is to qualify a process-oriented characterization with improved mapping accuracy while simultaneously reducing the required testing efforts.

Depending on the dominant stress states in drawn parts, advanced information is extracted from standard testing methods. The additional data is used within a new parameter identification scheme in combination with an adapted yield criterion for an accurate description of anisotropic hardening behavior.

At the beginning of the research project a material characterization of the alloys AA5182, AA6016, DC06, DX54 and DP600 is performed. For these investigations, the uniaxial tensile test, the shear test according to the ASTM standard and the hydraulic bulge test are used. Afterwards, an inverse methodology is developed with the characterized material information, which is used to identify the eight parameters of the yield criterion Yld2000-2d. Individual tests are carried out in order to consider the process-dependent stress states of a deep drawing part. In addition, the yield criterion is modified by a strain dependent yield surface evolution, which represents the experimental determined evolution of the material anisotropy.

In order to validate the inverse identification of the model parameters as well as the strain dependent yield locus exponent on suitability, tests are carried out on a complex demonstrator, the cruciform cup. It becomes apparent that the methodology is suitable for steel materials, which have shown a strongly strain dependent progression of the anisotropy in experiments. In numerical analysis, the parameters of sheet thickness distribution and flange thickness were analyzed.

The methodology shows a significant improvement of the imaging accuracy in a deep drawing process, compared to the conventional application of the yield criterion Yld2000-2d. When transferred to a process where stretch forming is predominantly, no significant improvement in the imaging accuracy can be achieved. This is demonstrated by the example of the standard component "support beam". On the basis of the findings gained in the validation, recommendations were derived that define the operation conditions in which the model, developed in this research project is beneficial.
Thus, the research objective of the project was achieved.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
Abkürzungsverzeichnis
Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Werkstoffcharakterisierung
2.2 Virtuelle Werkstoffcharakterisierung
2.3 Inverse Parameteridentifikation
2.4 Numerische Prozessauslegung
3 Zielsetzung und Lösungsweg
4 Experimentelle und numerische Vorgehensweise
4.1 Versuchswerkstoffe
4.1.1 Aluminium-Knetlegierung AA5182-O
4.1.2 Aluminium-Legierung 6016-T4
4.1.3 Tiefziehstahl DX54
4.1.4 Tiefziehstahl DC06
4.1.5 Dualphasenstahl DP600
4.2 Eingesetzte Versuche zur Ermittlung erweiterter Werkstoffkennwerte
4.2.1 Zugversuch
4.2.2 Hydraulischer Tiefungsversuch
4.2.3 Modifizierter ASTM-Scherzugversuch
4.3 Versuchsaufbauten zur Überprüfung der vorgeschlagenen Methodik
4.3.1 Kreuznapf
4.3.2 Stützträger
5 Charakterisierung erweiterter Werkstoffkennwerte
5.1 Konventionelle Werkstoffcharakterisierung
5.1.1 Fließverhalten im uniaxialen Zugversuch
5.1.2 Charakterisierung mehrachsiger Spannungszustände
5.2 Erweiterte Werkstoffcharakterisierung
5.2.1 Ermittlung der umformgradabhängigen senkrechten Anisotropie r aus uniaxialen Zugversuchen
5.2.2 Werkstoffcharakterisierung an Proben mit inhomogenen Dehnung- und Spannungsverteilungen
6 Modellbildung und Identifikation des erweiterten Fließkriteriums
6.1 Entwicklung einer modifizierten Fließregel auf Grundlage von Yld2000-2d
6.2 Inverse Parameteridentifikation
6.2.1 Halbanalytische Methode zur Spannungsberechnung
6.2.2 Validierung an virtuellen Experimenten
6.2.3 Übertragung der Vorgehensweise auf reale Messdaten Parameteridentifikation an realen Experimenten
7 Prozessorientierte Werkstoffcharakterisierung
7.1 Ansatz
7.1.1 Relevanz der einzelnen Spannungszustände im Bauteil
7.1.2 Fitstrategien und Arbeitsbereich des Materialmodells
7.2 Identifizierte Modellparameter
8 Überprüfung der vorgeschlagenen Methodik
8.1 Überprüfung der Methodik anhand des Kreuznapf Bauteils
8.1.1 Überprüfung für die Aluminiumlegierung AA6016
8.1.2 Überprüfung für den Tiefziehstahl DC06
8.1.3 Überprüfung für den Dualphasenstahl DP600
8.2 Überprüfung der Erkenntnisse anhand eines Stützträgers
8.2.1 Aluminium-Werkstoffe
8.2.2 Tiefziehstähle DX54 und DC06
8.2.3 Dualphasenstahl DP600
8.3 Handlungsempfehlungen auf Basis der Erkenntnisse
9 Offene Fragen und zukünftiger Forschungsbedarf
10 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse
10.1 Nutzung der Forschungsergebnisse in KMU
10.2 Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU
11 Literaturverzeichnis

 

 


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