EFB-Forschungsbericht Nr. 471

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Verbesserung des Qualifizierungsprozesses von Bauschinger-Parametern durch Wechselbiegeversuche

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Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Marion Merklein, M. Sc. Martin Rosenschon, Lehrstuhl für Fertigungstechnologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  

88 Seiten - 68,00 EUR (sw, 51 teils farbige Abb., 7 Tab.)
ISBN 978-3-86776-522-0



Zusammenfassung

Trotz aktueller Entwicklungen im Feld der Werkstoffmodellierung stellt die exakte Vorhersage der Rückfederungsgeometrie mithilfe der Finiten-Element-Methode (FEM) eine nach wie vor hoch anspruchsvolle Aufgabe dar. Im Besonderen bei komplexen Blechumformprozessen wird die Rückfederung oftmals mit unzureichender Genauigkeit abgebildet. Da die Rückfederung eines Bauteils durch die Rückgabe der elastischen Restspannungen nach dem Entformen initiiert wird, ist ihre realitätsnahe numerische Berechnung sowohl maßgeblich an die exakte Beschreibung des plastischen als auch des elastischen Materialverhaltens gebunden.

So zeigen mehrere wissenschaftliche Arbeiten, dass sowohl durch die Abbildung des zyklischen Verfestigungsverhaltens als auch eine von der plastischen Dehnung abhängige Materialelastizität die Vorhersage im Einzelfall verbessern kann. Nicht zuletzt durch die Vielzahl an mathematischen Modellen, nichtstandardisierten Charakterisierungsverfahren und einer sowohl prozess- als auch werkstoffgebundenen Signifikanz müssen Materialmodelle vor ihrem Einsatz zur Auslegung von Blechumformprozessen validiert werden.

Im Forschungsvorhaben „Verbesserung des Qualifizierungsprozesses von Bauschinger-Parametern durch Wechselbiegeversuche" wird der Einsatz des Wechselbiegeversuchs als Laborprüfstand zur prozessorientierten Bewertung von Materialmodellen analysiert. Mithilfe eines numerisch inversen Verfahrens erfolgt die Realisierung einer von einem Tiefziehprozess mit Ziehsicke abgeleiteten Dehnungshistorie im Laborprüfstand und damit die prozessnahe Evaluierung von Materialmodellen.

Für den hochfesten Stahl DP-K 45/78, die naturharte Aluminiumlegierung AA5182-O und die ausscheidungshärtbare Aluminiumlegierung AC170-PX werden sowohl der Mehrwert einer kinematischen Verfestigungsregel als auch der einer von der plastischen Dehnung abhängigen Materialelastizität gegenüber eines isotropen Ansatzes mit konstanten E-Modul untersucht.

Der Abgleich mit den Ergebnissen des Ziehprozesses zeigt, dass der Nutzen eines kinematischen Verfestigungsgesetzes in Bezug auf eine rein isotrope Verfestigungsmodellierung im Wechselbiegeversuch grundsätzlich bewertet werden kann. Während die Modellierung des zyklischen Verfestigungsverhaltens beim hochfesten Stahl sowohl in der Biege als auch der Ziehoperation eine maßgebliche Verbesserung der Rückfederungsprognose bewirkt, können durch die Einbindung der Modelle im Fall der Aluminiumlegierungen für beide Prozesse keine durchgehenden Verbesserung erzielt werden.

Im Gegensatz zur Ziehoperation besitzt die Modellierung einer von der plastischen Dehnung abhängigen Materialeastizität im Wechselbiegeversuch - aufgrund des geringeren Abstreckanteils - lediglich geringe Auswirkungen auf das Ergebnis der Rückfederungsberechnung. Zur Auflösung dieses Materialverhaltens im Wechselbiegeversuch sollte im Rahmen fortführender Untersuchungen die Analyse einer möglichen Erweiterung der Prüfmethodik stehen. Einen weiteren Teil des Projekts bilden die thermografisch gestützte Identifikation des Fließbeginns und die Bewertung des Nutzens für eine Blechumfangssimulation. Basierend auf dem stark erhöhten prüftechnischen Aufwand sowie der Abhängigkeit der Charakterisierungsergebnisse von der Probengeometrie beziehungsweise dem mechanischen Prüfverfahren kann - im Rahmen der Untersuchungen - kein expliziter Vorteil identifiziert werden.

Für den effizienten Einsatz der Methodik sind weiterführende Untersuchungen notwendig.

Neben Empfehlungen zur Modellvalidierung im Wechselbiegeversuch erhält der Anwender wichtige Informationen bezüglich der material- und prozessspezifischen Vorhersagegüte einzelner Materialmodelle. Hierdurch wird eine der Umformoperation angepasste Auswahl der Materialmodellierung und des zugehörigen Charakterisierungsaufwands ermöglicht.
Das im Rahmen des Projekts gesetzte Forschungsziel wurde erreicht.

Das IGF-Vorhaben „Verbesserung des Qualifizierungsprozesses von Bauschinger-Parametern durch Wechselbiegeversuche" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 18545N über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 471 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

BMWI-DE

Summary

Despite recent developments in the field of material modelling, the exact prediction of the springback geometry using the Finite Element Method (FEM) is still a highly demanding task. In the case of complex sheet metal forming processes in particular, the springback is often calculated with inadequate accuracy. Since the springback of a component is initiated by the return of the elastic residual stresses after the removal from the tool, its realistic prognosis is closely related to the exact description of the plastic as well as the elastic material behaviour.

Several scientific works show that the prediction can be improved in individual cases by the implementation of the cyclic hardening behaviour via isotropic kinematic models as well as by a material elasticity that is dependent on the plastic strain. Not least due to the large number of mathematical models, non-standardized characterization methods and a significance that is both process- and material-related, it is necessary to validate identified material models preliminary to their application in the numerical design of a sheet metal forming process.

In the research project "Improvement of the qualification process of Bauschinger-parameters via cyclic bending tests", the use of the cyclic bending test is analysed as a laboratory test for a process-oriented evaluation of material models. Via a numerically inverse method a defined deformation history, which is derived from a thermoforming process with drawbeads, is realised in the laboratory test and therefore different material models are evaluated.

For the high-strength steel DP-K 45/78, the natural hard aluminium alloy AA5182-O and the precipitation-hardenable aluminium alloy AC170-PX, both the additional value of a kinematic hardening rule and a material elasticity dependent on the plastic strain are investigated with respect to a springback analysis. The comparison with the results of the drawing process shows that the usefulness of a kinematic hardening model in relation to a pure isotropic hardening law can basically be evaluated in the cyclic bending operation.

While the modelling of the cyclic hardening behaviour results in a significant improvement in the springback prognosis of the bending as well as in the drawing operation for the high-strength steel, no significant improvement can be achieved for the two processes by implementing kinematic hardening in the case of the aluminium alloys.

In contrast to the drawing operation, the modelling of a material elasticity depending on the plastic strain has only a slight, nearly not significant impact on the result of the springback calculation in the bending test, which can be traced back to the lower amounts of stretching. To resolve this material behaviour in the cyclic bending test, an analysis of a possible extension of the test methodology should be carried out within the framework of ongoing investigations.

An additional aspect of the project is the thermographically supported identification of yielding point and the evaluation of its benefit for a sheet metal forming simulation. Based the considerable increase in the testing effort and the dependence of the characterization results on the sample geometry or the mechanical test method, no explicit advantage can be identified within the scope of the investigation. For the efficient use of the methodology, further investigations are necessary.

In addition to recommendations for a model validation in the cyclic bending test, the user receives important information regarding the material- and process-specific prediction quality of individual material models. This allows a selection adapted to the forming operation of the material modeling and the associated characterization.
The research goal has been achieved.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Summary
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
Abkürzungsverzeichnis
Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Lastwechsel in Blechumformprozessen
2.2 Modellierung des elastischen und plastischen Materialverhaltens in der Blechumformung
2.3 Versuche zur Charakterisierung des zyklischen Verfestigungsverhaltens
3 Zielsetzung und Lösungsweg
4 Experimentelle und Numerische Vorgehensweise
4.1 Versuchswerkstoffe
4.1.1 Dualphasenstahl DP-K 45/78
4.1.2 Naturharte Aluminiumlegierung AA5182-O
4.1.3 Ausscheidungshärtbare Aluminiumlegierung AC170-PX
4.2 Identifikation mechanischer Kennwerte mithilfe der Thermografie
4.3 Charakterisierung und Modellidentifikation im Zug-Druckversuch
4.3.1 Experimenteller Aufbau
4.3.2 Identifikation isotrop-kinematischer Verfestigungsparameter
4.4 Versuchsaufbauten zur Modellvalidierung
4.4.1 Wechselbiegeversuch
4.4.2 S-Rail mit Ziehsicke
5 Analyse des elastisch-plastischen Materialverhaltens der Blechwerkstoffe
5.1 Elastisches Materialverhalten unter schwellender Zugbelastung
5.2 Werkstoffspezifische Ausprägung des Bauschinger-Effekts und dessen Modellierung
5.3 Temperatur gestützte Ermittlung des Fließbeginns
6 Prozessnahe Modellvalidierung im Wechselbiegeversuch
6.1 Abbildung komplexer Dehnungshistorien im Wechselbiegeversuch
6.2 Ergebnisse der Modelvalidierung im Wechselbiegeversuch
7 Rückfederungsvorhersage im Hutprofil
7.1 Werkstoffspezifische Rückfederung
7.2 Modellbewertung und Abgleich mit dem Wechselbiegeversuch
8 Offene Fragen und zukünftiger Forschungsbedarf
9 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Anhang-A: Modellparameter
Anhang-B: Prozessparameter des Wechselbiegeversuchs

 


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